23/6361.

An Christian Friedrich Wilhelm Jacobs

[Concept.]
Wohlgeborner,
Insonders hochzuehrender Herr!

Ew. Woglgeb. dancke aufrichtigst für das mir in Ihrem werthen Schreiben vom 23. Juli bezeigte Vertrauen. Leider erhielt ich dasselbe erst drey Tage vor meiner abreise aus Töplitz in einem sehr unruhigen Momente; und da man in so hohen Verhältnissen auf das vorsichtigste zu erfahren hat, so konnte ich nur die ersten Schritte thun. Ich bin daher nicht im Stande zu sagen, ob sie einige Folgen haben werden, weil sich Jedermann die größte Precaution zur Pflicht macht; ich bitte daher auf's inständigste auch von diesem Briefe gegen Niemanden zu erwähnen, weil davon kein Vortheil zu erwarten, wohl aber Nachtheil zu befürchten ist.

Verzeihen Sie das Dunkle dieser Äusserungen, die Ihnen jedoch nicht räthselhaft seyn können, und lassen mich für die früheren, mir freundlich zugesendeten Arbeiten bey dieser Gelegenheit schönstens danken. [64] Besonders erwähne ich hier der Aufstellung und Wiederbelebung alter griechischer Kunstschätze. Sol che Darstellungen haben außer ihrem inneren und bleibenden Werth noch das Verdienst, das Alterthum durch neue Monumente aufrecht zu erhalten, das ein ganz wahnsinniger, protestantisch-catholischer, poetisch-chritischer Obscurantismus gern wieder mit frischen Nebeln einer vorsätzlichen Barbarey überziehen möchte. Behindern kann man solche Epochen nicht, solche Krankheiten muß man vielmehr auswüthen lassen; aber man kann doch, indem man sich und seine Freunde in dem anerkannten Rechten bestärkt, auch zugleich gar manchen guten Jüngling von der, nicht einmal im Finstern, sondern am lichten Tage schleichenden Seuche bewahren.

Da ich noch einigen Raum vor mir sehe, so will ich erfreulicher schließen und von dem Programm des Herrn Director Sickler sprechen, welches kurz vor meiner Abreise mich sehr erfreut, ja beschäftigt hat. Diese Bildwerke, ob ich sie gleich für ziemlich neu, d.h. kurz vor oder nach unserer Ära halten muß, sind höchst merkwürdig und unter den bis jetzt bekannten einzig. Es entsprang bey ihrem Anblick mir sogleich der Gedanke, daß das entdeckte Monument das Grab einer Tänzerinn seyn möchte, welche man cyclisch in diesen drey Tage vorgestellt hätte. Herr Sickler, dem ich diese Hypothese mittheilte, nahm sie freundlich auf und wird vielleicht den kleinen Aufsatz, [65] den ich deshalb aus dem Stegreife schrieb, wenn ich ihn noch etwas castigirt habe, drucken lassen. Ich empfehle ihn im voraus Ihrer Betrachtung und ferneren Nachforschung. Den Moment, wo dergleichen Dinge bekannt werden, soll man ja nicht vorübergehen lassen; denn sie können für uns und für andere schnell höchst fruchtbar werde, da sie zugleich der innere Werth und der Reiz der Neuheit empfiehlt.

Möge es Ihnen niemals an Gesundheit und gutem Muthe gebrechen, die Wirkungen, die Ihnen bisher so schön gelungen sind, zum besten echter Kenntnisse fortzusetzten.

Rehalten Sie mir ein freundliches Andenken und gehen mich nicht vorbey, wenn Sie in meine Nähe gelangen sollten.

Der ich mich mit vorzüglicher Hochachtung die Ehre habe zu unterzeichnen.

Carlsbad den 14. August 1812.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Christian Friedrich Wilhelm Jacobs. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-87B1-0