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An Thomas Johann Seebeck

[Concept.]

Ihr lieber Brief, mein theuerster Freund, findet mich glücklicher Weise noch in Jena, von wo ich morgen den 30. nach Carlsbad abzugehen gedenke. Wie schön wäre es gewesen, wenn wir uns unterwegs hätten treffen können, doch nun ist's zu spät. Leider kann ich auch die verlangten Bücher, vor meiner Abreise, von Weimar nicht herüberschaffen. Ich will aber sorgen, daß sie an Ihren hiesigen Correspondenten, Herrn Pfindel, in kurzem abgegeben werden, dem ich die Adresse nach Hof zurücklassen will.

Sobald ich zurückkomme, sende ich meinen Magnet [377] an Burucker, möchten Sie wohl ein paar Magnetstäbe bey ihm bestellen, wie sie Döbereiner braucht; die Bezahlung soll durch mich erfolgen. Ich freue mich sehr Sie in Nürnberg künftig wohnhaft zu wissen; es war und bleibt ein interessanter Ort und wer die alten, unherstellbaren Zustände nicht gerade zurückfordert, sondern sich an Ihren Reliquien erbaut, der wird sich in dem neuen Leben auch wohl befinden. Ich danke Ihnen sehr für die Mittheilung der Versuche, welche den zweyten Versuch Newtons aufzuklären dienen. Es wird interessant seyn sie im Tags-und Sonnenlichte zu wiederholen; ich bin überzeugt, daß sie immer gleich ausfallen werden.

Das Verzeichniß dessen, was über meine Farbenlehre öffentlich erschienen, bitte ich fortzusetzen, ich lege es zu meinen chromatischen Acten, bis ich wieder einmal an die Sache komme, dann will ich alles hinter einander weglesen und sehen, ob ich dadurch gefördert werde. Haben Sie nur die Güte, wenn Sie in Nürnberg eingerichtet sind, recht fleißig fortzufahren; davon verspreche ich mir den größten Gewinn.

Von unserem Hegel habe ich nichts vernommen, auch keine Logik noch nicht gesehen; grüßen Sie schönstens den würdigen Mann, und sagen Sie den lieben Ihrigen das Allerfreundlichste.

Meine Frau und Sohn sind wohl, erstere folgt mir gegen Johanni nach Carlsbad. Letzterer ist als Cammerassessor angestellt.

[378] Dr. Riemer hat uns verlassen und ist, mit dem Titel als Professor, an das Weimarische Gymnasium gekommen. Er ist dieser Stelle mehr als gewachsen. Er ist dieser mehr als gewachsen, doch eben deswegen wird es ihm Mühe kosten, sich in das Geringere zu finden, was ihm verlangt wird.

Die Nachricht wegen der Pässe war mir sehr angenehm, ich kann mit desto mehr Beruhigung reisen.

Döbereiner beträgt sich sehr lobenswürdig; er nimmt im Theoretischen, Practischen, Technischen, Didactischen täglich zu. Die von uns bey Ihrem Hierseyn besprochenen Instrumente und sonstigen Erfordernisse sind theils schon angeschafft theils um Werke. Vor Michael muß alles geleistet seyn, alsdann erhalten Sie einen Schlußbericht mit aufrichtigem Dank für Ihre Einleitung und Mitwirkung.

Worauf ich mich besonders freue, ist eine chemische Präparatensammlung deren erste Anfänge in einigen hundert Gläsern bestehend, schon höchst reizend und unterrichtend sind.

Die neue Chemie wird dem Liebhaber immer unzugänglicher, indem das Gedächtniß die unendliche Nomenclatur nicht mehr fassen, die Einbildungskraft so viel vorübergehende Verwandlungen nicht verfolgen, und das Urtheil mit dem unzähligen Gegebenen nicht mehr spielen und gebahren kann. Mir ist es indessen sehr merkwürdig, daß die Wissenschaft, die in ihrem eingehüllten Ursprunge, erst ein Geheimniß ist, wieder, [379] in ihrer unendlichen Entfaltung, zum Geheimniß werden muß. In diesen Rücksichten kommt eine solche Präparatensammlung sehr zu statten. Form und Farbe eine jeden Gegenstandes prägen sich ein, und die Einbildungskraft kommt den übrigen Vermögen zu Hülfe.

Döbereiner beschäftigt sich sehr emsig mit der Zuckerfabrikation aus Stärke, sie ist ihm gleich gelungen. Kühn genug, macht er die Operation in kupfernen Gefäßen, ja er behauptet, daß der hierbey thätige galvanische Prozeß jene Zuckerwerdung begünstige, die doch auch als solcher angesehen werden kann. Das Kupfer schlägt er aus der Solution mit chemischer Gewandtheit nieder. Übrigens glaube ich nicht, daß dieser Umwandlungs Prozeß das Werk einzelner Familien Frauen und Köchinnen werden könne, wir haben vielmehr Luft eine Subscription zu eröffnen, wodurch mehrere Familien in Weimar und Jena mit Herrn Döbereiner contrahiren können, wie viel sie vierteljährig geliefert haben wollen. Der Unterschied der Preises ist so groß, daß es thöricht ist, an der Qualität zu mäkeln, wie schon manche zu thun anfangen.

Die Öconomen sind nun schon dahinter her, welche Kartoffel die stärkereichste und zugleich an Menge der Knollen die ergiebigste ist.

Jena den 29. April

1812.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Thomas Johann Seebeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-880E-B