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An Eleonora Flies

[Concept.]

Ob ich gleich, meine wertheste Frau von Flies, glücklich genug bin, Sie schon lange zu kennen und an mir selbst erfahren habe, wie geneigt Sie sind Ihrer Freude mehr oder weniger bedeutende Wünsche zu erfüllen; so hat mich doch Ihre letzte Sendung überrascht: sie enthielt den reichsten Beytrag zu meiner Sammlung, den ich in diesen Jahren erhalten habe. Ich lasse mir manchmal gern von Freunden den Vorwurf machen, daß es mir mit meinen Wünschen und Liebhabereyen gehe, wie schwangeren Frauen mit ihren Gelüsten, welche bald befriedigt seyn wollen, wenn man einigen Dank für seine Bemühung gewinnen will. Doch ist es bey mir einigermaßen anders, meine Gelüste haben einen innerlichen Zusammenhang, sie scheinen einzuschlafen und wachen wieder auf, ehe man sichs versieht, und man kann immer gewiß seyn, mich dankbar zu finden, wenn man auch spät und nur mit Wenigem mir sein freundliches Andenken darthun mag.

Was soll ich nun aber sagen, meine Wertheste, wenn Sie so schnell und reichlich meine Wünsche bedenken und zu deren Befriedigung Sich auf solche Weise bemühen wollen. Ich habe nicht verkennen dürfen, daß außer den köstlichen Documenten der vergangenen [311] und gegenwärtigen Zeit, auch mehrere dieser Blätter geschrieben sind, in Rücksicht auf meinen Wunsch, und in der Absicht, den Zweck zu erfüllen, den ich mir vorgesetzt habe. Es kann dieses nicht anders, als auf eine höchst freundliche und thätige Anregung geschehen seyn, deren Werth ich so gut, als jener Gewährung zu schätzen weiß. Haben Sie die Güte allen den vortrefflichen Personen, wenn sich Gelegenheit finden sollte, meinen aufrichtigsten Dank abzustatten.

Auch die liebe Caroline Pichler hat die Sendung mit interessanten Beyträgen bereichert, und ihr freundlicher Brief ist sogleich in die Sammlung aufgenommen worden. Ich bitte ihr mit Überreichung der Einlage das Verbindlichste zu sagen.

Ihr gehaltreiches Packet überraschte mich gerade an einem tristen Tage, wo ich nichts Erfreuliches zu erwarten hatte. Sogleich war ich aufgeregt und aufgemuntert diese neuen Beyträge zu katalogiren, einzurangiren und mich dabey an dem Anschwellen meiner Hefte zu freuen, das mitgesendete interessante Verzeichniß aber wurde zu den Generalien und allgemeinen Documenten der Sammlung hinzugefügt, mit Bemerkung der freundlichen Geberin und zum dankbaren Andenken.

Von unserm Freund Riemer kann ich melden, daß er seit kurzer Zeit als Professor bey dem hiesigen Gymnasium angestellt ist, wo seine schönen Kenntnisse [312] zum Nutzen der Jugend reichlich wird ausspenden könne. Was er da Gutes stiftet, wird ihm zum Trost und zur Entschädigung dienen, daß er das werthe Böhmen dieses Jahr nicht besuchen kann.

Ich hingegen hoffe abermals zu Anfang May in Carlsbad zu seyn, lassen sie mich dort von Ihnen einige Nachricht finden, ob ich das Vergnügen hoffen darf, Sie dort zu sehen, und wer noch sonst von Gönnern, Freunden und Bekannten dieses Jahr die böhmischen Bäder zu besuchen denkt.

Empfehlen Sie mich dem Andenken so mancher würdigen Person, die Sie mir günstig kennen, und bleiben überzeugt, daß ich mich Ihrer jeder Zeit vorzüglicher Hochachtung und Dankbarkeit erinnere.

Weimar

den 31. März

1812.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Eleonora Flies. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-884A-3