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An den Herzog Carl August

Um meinen hiesigen Aufenthalt mit einem Abenteuer zu endigen, will ich Morgen früh sechse in forma hier abfahren, in Siebeleben aussteigen, über die Gleichen, Ichtershaufen, Dinstädt nach Kochberg zu Fuse gehn, und auf der einsamen Wandrung meine Lecktion rekapituliren.

Vom hohen Friedenstein durch das flache Land, aus dem zusammengefassten Leben der obern Menschen, zum einzelnen und einfacheren der niederen Landsbewohner.

Es ist mir recht wohl gegangen, ich habe viel gezeichnet. [202] Das lebhaffte Intresse des Cirkels in dem ich hier bin, am Augenblicklichen macht auch im Augenblick lebhafft, und durch Kleinigkeiten zum Allgemeinen Scherze thätig.

Mein Christoph der diesen Brief überbringt, soll Sonnabends Abends in Kochberg seyn, er wird mein Pferd hinreiten. Geben Sie ihm etwas an mich mit, und sagen mir wie es steht und ob ich kommen soll. Doch mögt ich nicht daß man wüsste wo ich bin, ich habs ihm verboten gegen jemanden etwas zu erwähnen.

Der Inselsberg ist sehr klar, ich hoffe einen schönen Tag auf morgen.

Leben Sie wohl und behalten mich lieb. Die Welt ist weit, und eines jeden zu Hause ist klein. Wohl dem der sich leidlich bettet.

Gotha, Donnerstag d. 11. Oktbr. 81.

G.


Erfurt d. 12ten früh 10 Uhr.

Das sehr trübe Wetter heute früh hat meiner Wandrung eine prosaischere Wendung gegeben, ich bin so hierher gefahren und will Miethpferde nehmen um über Tonndorf und Tannrode zu reiten.

Der Herzog fürchtet sich vor der Marckgräfinn und wird nicht eher kommen als bis sie weg ist; wer doch einmal einen guten Credit hat, kan sicher seyn daß er sich ausbreitet.

Ich bin sehr zufrieden von meinem Aufenthalt und wie es scheint sind es die Leute auch mit mir. [203] Da ich ein wenig mehr als sonst mit denen Effeckten bekannt bin die meine Existenz machen muß, und ich nach und nach lerne, offen zu seyn und mich bis auf gewisse Punckte gehen zu lassen, ohne die hergebrachten, und natürlichen Schicklichkeiten zu beleidigen, so werd ich für andre, und mir selbst wohlthätiger. Wenn ich noch einen Schluck aus dem Becher weiblicher Freundschafft gethan habe, kehr ich vergnügt in mein Thal zurück. Diese drey Wochen waren eben hinreichend die Summe des vergangnen Jahrs zu ziehen, und noch auf den Winter etwas eizutragen. Leben Sie recht wohl. Sagen mir wie es geht, und ob Sie mich noch einige Tage in der Welt wollen herumstreifen lassen.

Wenn man nach mir fragen sollte, so bin ich auf mineralogischen Weegen. Addio.


Um 12 Uhr.

Ich bin bey dem Stadthalter gewesen, und habe ihm gerathen den Herzog von Gotha nicht dringend auf den Montag einzuladen. Er glaubt nicht anders als ich ginge nach Weimar, wenn also die Rede von mir kommt so lassen Sie es fallen ob ich da bin oder nicht.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8855-9