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An den Großherzog Carl August

[25. Januar 1816.]

Ew. Königl. Hoheit

Gedanken, unserer freyen Zeichenschule eine Vorschule auf dem Gymnasio, so wie auch andern hiesigen Schulanstalten [229] zu geben, habe sogleich mit Meyer und Peucer besprochen. Ersterer wird darüber etwas aufsetzen, letzterer wird zur Ausführung sowohl als seine Collegen sehr gern die Hand bieten, um so mehr, als das Ober-Consistorium schon aus eigner Bewegung den Versuch gemacht hat in Buttstedt eine Zeichenschule zu gründen, der recht gut gelungen ist. Vorschläge zur Einrichtung des Ganzen werden, sobald sie einigermaßen reif sind, unterthänigst vorgelegt werden.

Den 1. Band Wielandischer Briefe lese schon mit großem Interesse. Sehr angenehm ist es, die Natur, die man im Alter gekannt, in der Jugenderscheinung zu sehen. Sehr merkwürdig ist die klare Selbstkenntniß in so jungen Jahren. Die heitere Nachgiebigkeit und zähe Hartnäckigkeit zwischen denen sein Wesen sich bis in die spätesten Jahre bewegte ist auch hier schon ausgesprochen.

Auf den nach Wien gesendeten Aufsatz, die Achtermannshöhe betreffend, werfen Ew. Königl. Hoheit wohl einen Blick.

An Treilinger ist wegen des Hippopotamusschädel geschrieben, durch dessen Acquisition einer meiner ältern osteologischen Wünsche erfüllt wird.

Indem hier von naturhistorischen Dingen die Rede ist, lege ein paar Federn bey, welche in Webicht den erlegten Todfeinden der allerliebsten Fasanen ausgerupft habe, an welchen schon der durch Bergrath Voigt zur Sprache gebrachte Unterschied zu sehen ist, welcher [230] durch Einwirkung von Licht auf diese zarten und leicht zu metamorphosirenden organischen Theile hervorgebracht wird. Die schmälere zu beyden Seiten ziemlich gleiche und gleichmäßig gefärbte Feder ist eine von den obern Schwanzfedern, welche durchaus dem Lichte ausgesetzt war. Die andere, wo die eine Seite breiter und wenig entschieden gefärbt ist, war von einer überliegenden Feder bedeckt, wie man die Gränze deutlich wahrnehmen kann. Ich werde mir den nächstgeschossenen Raubvogel erbitten um die bey Bildung und Färbung der Feder obwaltende Naturgesetze in Beyspielen vorzulegen.

In wie hohem Credit unsere mineralogische Gesellschaft auswärts steht ist aus dem zu Siegen geführten beyliegenden Protokolle zu ersehen. Wegen Dauer und Befestigung dieser schönen Anstalt habe manchen Gedanken.

Kupferstecher Müller wird Brief und Zeichnung von Weinbrenner vorlegen. Ew. Königl. Hoheit Ermahnungen haben den Architekten [zu einem Plane] genöthigt der nicht verwerflich scheint. Jagemann wird einer ziemlichen Masse Farben bedürfen um ein solches Tuch zu bedecken.

Goethe.


Die übersendeten schönen Fossilien bestehen:

1) Zwey Rhinoceros-Zähne in der Kinnlade

2) Ein Fragment eines Pferde-Zahns

[231] 3) Backen-Zähne aus der unteren Kinnlade eines Hirschen

4) Ein Knochen-Fragment in Kalk-Tuff.

Von den anderen beyden Mineralkörpern ist der eine schörlartiger Beryll aus dem Zwitterstock von Altenberg, das andere Kalkspath-Crystalle auf schwarzem Marmor.

Pelzen wird deshalb die geognostische Tortur zuerkannt. Nicht unmöglich wäre es jedoch daß ein Schalk ihm diese [Dinge in seine] Räume geschoben. Wenigstens haben wir in unsrer Jugend uns dergleichen Possen erlaubt um nachfahrende Geognosten irre zu machen.

Alles zusammen wird, sorgfältig eingepackt, nach Jena transportirt werden. Wie denn überhaupt ein kurzer Aufsatz über das merkwürdige Vorkommen dieser Fossilien nächstens ausgefertigt werden kann.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-885D-A