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An Marianne von Willemer

Eben als Ihr lieber Brief, meine Theuerste, zu mir gelangte, war das zweyte Fäßchen Honig angebrochen worden, und mein zweyter Enkel, welcher vorzüglich auf diese Süßigkeiten begierig ist, machte deshalb gar freundliche Gesichtchen.

Es ist mir diese Zeit her manches Gute begegnet und gelungen; ich finde mich in dem Falle, nach und nach Ordnung zu machen in allen Dingen um mich her, besonders auch so mancherlei poetische, literarische, naturhistorische Schriften als Supplement zu meinen bisher herausgegebenen Werken zu arrangiren. Der verständige gute Eckermann ist mir hiebey von besonderer Hülfe, auch von zutraulicher Aussicht auf die Zukunft.

Meine lieben Freunde dank ich mir nun wieder in den schönen Mühlenbesitz eingeführt, wenn schon die Witterung am Mayn kaum günstiger seyn kann als bey uns. Von katarrhalischen Übeln theils bedroht, theils befangen, kommen wir nicht recht zum Bewußtseyn, daß wir zwischen Frühling und Sommer wandeln.

[220] Wenn meine liebe heitere Freundin ihre anmuthigsten Stunden mit heiterer Jugend zubringt, so darf ich wohl das Gleiche sagen; meine drey Enkel, zwey Knaben und ein Mädchen, sind wirklich wie heiteres Wetter, wo sie hintreten, ist es hell. Am Augenblick Freude, er sey wie er wollte; das theilt sich denn unmittelbar auch den Ältesten mit, und so wollen wir die guten Geister loben, die uns dergleichen Lichtlein angezündet haben.

Neugierig bin ich, ob Sie sich wieder mit dem Freunde dieß Jahr in die Gebirge wagen? Es ist denn noch und bleibt grandios, wenigstens rechts und links, wenn wir auf bequemen Wegen durch das Unerforschliche dahin fahren. Legen Sie es ja auf ein hübsches, recht ausführlich-communicables Tagebuch an, wenn es der Fall seyn sollte.

Kaum werd ich mich diesen Sommer aus Weimar begeben; die Witterung ist unsicher, und man muß in das, was man thun und leisten will, immer mehr Folge legen, wenn noch irgend etwas herauskommen soll, was man sonst aus dem Stegreife gar wohl zu produciren wußte.

Jetzt will ich aber noch eine Bitte und Auftrag eigner Art hinzufügen.

Vor alten Zeiten hatte man Staatskalender der freyen Reichsstadt Frankfurt, einige Fuß breit, mehrere lang; das Wappen des Schultheißen stand oben quer vor, an der einen Seite die Schöffen-, an der andern[221] die Rathsherrn-Bank, die dritte Bank unten quer vor, nach Standesgebühr und Würden, Vornamen, Namen, Wappen und was sonst bemerklich war.

Einen solchen Kalender wünscht ich mir nun von der Zeit, wo mein Großvater Schultheiß war; beschwören Sie Ihre dienstbaren Geister, einen solchen herbeyzuschaffen; es gibt ihrer gewiß noch genugsame, und ich erböte mich zu irgend einer Freundlichkeit demjenigen, der durch Ihre geneigte Vermittelung; um einen Stab gewickelt käme er wohlbehalten bey mir an.

So weit schon vor einigen Tagen, und damit dieß Blatt nicht fernerhin stockte und zaudere, wenn ich auch schon manches hinzusetzen möchte, nur noch die lebhaftesten Wünsche und treusten Grüße.

and so for ever

Weimar den 7. Juni 1813.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Marianne von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-88A3-8