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An Carl Friedrich Zelter

Beykommendes, mein theuerster Freund, war dir schon lange bestimmt, ich zauderte es abzusenden: denn man wußte kaum zuletzt mehr, mit wem man in der Welt noch zusammenhinge, oder nicht; jetzt finde ich eine gute Gelegenheit es nach Berlin zu bringen. Nachdem ich erst um deinetwillen besorgt gewesen, konnte ich mich bald beruhigen, nun bin ich für mich und das Meinige besorgt, und vielleicht sobald nicht beruhigt. Am 17. April ging ich, mehr durch Zureden der Nächsten und Freunde, als aus eignem Entschluß von Weimar ab. Ich war noch mit einem preußischen Passe durch die Chaine gekommen, als am 18. die Franzosen nicht ohne Gewalt wieder in Weimar einrückten. Davon weiß ich aber selbst nicht mehr, als was der allgemeine Ruf verkündet; denn ich habe seit der Zeit weder etwas von dorther vernommen, noch hat ein Brief von mir von mir dorthin gelangen können.

In Dresden sagte mir Dr. Sibbern, daß er dich gesehn, daß du ihm etwas an mich habest mitgeben wollen, daß du aber deshalb abgestanden, weil er wahrscheinlich nicht nach Weimar kommen würde. Dahin wird er freylich nicht gelangen, aber in Dresden wäre es mir erfreulich gewesen, etwas von dir zu vernehmen. Ich lege eine kleines Liedchen bey, eine Parodie auf das elendeste aller deutschen Lieder: Ich habe [335] geliebt, nun lieb ich nicht mehr. Wäre das Dichten nicht eine innere und nothwendige Operation, die von keinen äußeren Umständen abhängig ist, so hätten dies Strophen freylich nicht in der jetzigen Zeit entstehen können, und da ich denke, daß ihr immer einmal wieder tafeln und singen werdet, so sey euch dieser außerzeitige Scherz gewidmet.

Lebe recht wohl und laß mich bald etwas von dir erfahren.

Töplitz den 3. May 1813.

Goethe.


[Beilage.]

Ich habe geliebet, nun lieb ich erst recht,...

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-88B3-4