25/7065.
An Jakob Andreas Conrad Levezow
Es wird nun bald jährig, daß der verewigte Iffland mich zu einem Festspiele aufforderte. Bedenkt man, wie schnell es geschrieben, durch mancherley Hindernisse aber verspätet worden, so daß es erst jetzt, in dem sonderbarsten Augenblicke erscheint; so könnte man geneigt seyn, auch hierin eine Schickung zu sehen, welche in kleinen, wie in großen Dingen waltet. Denn wenn das Glück, nach seiner ersten Bestimmung, den Deutschen was sie gelitten bildlich vortragen, und ihnen sodann zu dem errungenen Heil Glück wünschen sollte; so mag es jetzt aussprechen, welchen großen Werth dasjenige habe, was sie zum zweytenmal erkämpfen müssen.
Mit aufrichtigem Dank erkenne ich, was manche Monate daher, zur Aufführung des Stücks vorbereitet worden, freue mich und bewundere herzlich, wie eine einsichtige thätige Intendanz zuletzt alle Strahlen in einen Brennpunct zu der großen und herrlichen Wirkung versammelte.
So ist mir auch höchst schätzbar, und hat meinen ganzen Beyfall, was Ew. Wohlgeboren zu Gunsten dieser Beyfall, was Ew. Wohlgeboren zu Gunsten dieser Angelegenheit mitwirken mögen. Die Absicht [258] des wohlgelungenen Vorworts in seinen drey Theilen ist dem Endzweck vollkommen gemäß, und konnte nicht verfehlen eine schnellere, günstigere Aufnahme zu bewirken.
Denn auch ich bin vollkommen der Meinung, daß man alle Ursache hat das Publicum vorzubereiten, sobald man etwas unternimmt, dessen Bahn außerhalb des gewöhnlichen Gleises liegt. So klein unser Weimarisches Publicum ist, und eher zu übersehen, so habe ich doch niemals verfehlet, bey den mannigfaltigen und oft seltsamen Versuchen, die wir mit fremden und ungewohnten Dingen gemacht, durch schickliche Vorbereitung und Eileitung einem neuen Gegenstand vorher die nöthige Gunst zu verschaffen. Viel schwerer ist es freylich, wenn man es mit einer großen nicht durchaus gebildeten Masse zu thun hat. Indeß kommt es hierbey, wie bey allem guten und Rechten darauf an, daß die Unternehmenden einen freyen redlichen Willen, und eine treue unbefangene Erkenntniß zeigen; so wird das Publicum gewiß, (mich Ew. Wohlgeb. eigener Worte zu bedienen,) »sich auch den Eindrücken des Besten und Vollkommenen gern und freudig überlassen, wenn es ihm nur von reinen Händen und mit Liebe und Sorgfalt gepflegt, dargeboten wird.«
In Dresden hat man solche Mittheilungen herauszugeben angefangen, wodurch manches Gute bewirkt werden kann. Meine Absicht ist, auf dem Wege des[259] Morgenblattes etwas Ähnliches zu thun, und besonders auch darzulegen, wie manches auf dem Weimarischen Theater stattfinden konnte, was auf andern Bühnen eben so gut gelingen müßte, wenn man die nöthigen Vorbereitungen und Einleitungen nicht versäumte.
Sollte nun Gefolge dessen, was bey dieser letzten Gelegenheit geschehen, fernerhin eine solche Vorberedung mit dem Publicum auch in Berlin stattfinden; so würden die trefflichen Absichten des neuen Herrn Intendanten dadurch gewiß sehr gefördert.
Lassen Sie mich nun nach diesen Betrachtungen, dankbar auf die so genaue und unbewundene Relation von der Aufführung unseres Festspieles hinblicken. Diese freundliche Klarheit und billige Gerechtigkeit thut wohl, indem sie unterrichtet und uns den großen Complex eines angefüllten Schauspielhauses vor Augen stellt, wo Bühne, Parterre und Logen in ewiger Wechselwirkung begriffen, ein großes belebtes Ganze darstellen, das vielleicht das Höchste ist, was Kunst und Kunstliebe zu Stande bringen und genießen kann. Ich müßte in's Einzelne gehen, wenn ich aussprechen wollte, wie sehr mich das scharfe als zarte Urtheil er freut und befriedigt hat.
Höchstnothwendig war es freylich, daß der unerwarteten Wendung der Dinge gedacht, und hoffnungsreiche Trostworte aus dem Munde des Kretensischen Sehers vernommen würden. Es hätte diese Ermuthigung [260] nicht besser ausgedruckt werden können, als es durch Ew. Wohlgeboren geschehen ist.
Mögen Sie mich des Herrn Intendanten Hochgeb. zum angelegentlichsten empfehlen, und mir in Ihrem werthen und geistreichen Kreise ein geneigtes Andenken erhalten, so werden Sie einen meiner liebsten Wünsche in Person, theils zum erstenmal theils in Rückerinnerung voriger guter Zeiten begrüßen und verehren möchte.
Sollten ferner Ew. Wohlgeb. Anlaß nehmen können, der sämmtlichen Künstler-Gesellschaft für den Ernst und die Liebe zu danken, welche sie meinem Stück widmen wollen; so würde ich, wenigstens zum Theil, mich von einer Schuld erledigt fühlen, deren Umfang mir durch Ew. Wohlgeboren genaue Nachricht sehr deutlich und anschaulich geworden.
Kann ich dem dortigen Theater etwas Angenehmes und Förderliches erweisen; so werde ich es mit Freunden thun. Wie ich denn noch schließlich der Proserpina erwähne, deren Partitur man nach Berlin verlangt hat. Sobald mir möglichst ist, sende ich einen kleinen Aufsatz, wie es eigentlich mit der Wiederbelebung dieses kleinen Stücks gemeint sey, und so günstige Wirkung hervorgebracht hat, wobey ich nicht verfehlen werde anzuzeigen, durch welche Mittel auf andern [261] größern Theatern diese Wirkung nicht nur erreicht, sondern gesteigert werden könne.
Mich wiederholt Ihrer freundschaftlichen Neigung empfehlend
ergebenst
J. W. v. Goethe.