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An Constanze von Fritsch

Für die schöne und umständliche Beschreibung des orientalischen Einzugs bin zum allerbesten dankbar, obgleich dadurch, wenn ich Ihnen, theuerste Freundin, schon alles Gute gönne, eine Art Neid rege geworden: denn da ich eben im Orient mich gedankenweis herumtreibe, so kann ich eine Anschauung, wie die, deren Sie genossen, nicht entbehren. Was will man aber machen, muß ich Ihnen doch die perspectivischen Straßen gönnen, indessen ich, dem Koppenfelsischen Scheungiebel gegenüber, eines sehr beschränkten Horizonts genieße.

[281] So habe ich denn auch wenig von mir zu erzählen.

Diesen Winter blieb ich meist zu Hause und hätten nicht verschiedene theatralische Übungen mich aus meinem Winkel genöthigt, die Besuche einiger Fremden meine Einsamkeit belebt; so hätte ich für einen indischen Büßenden gar wohl gelten können. Das Frühjahr soll desto willkommener seyn, wenn es unsere Gönner, Freunde und Lieben vom Norden wohlbehalten zurückbringt. Mittlerweile werden die Pensées wieder blühen und alles in gebührender, hergebrachter Ordnung löblich erfolgen.

Der Verlust unserer theueren Prinzeß Caroline, hat uns, obgleich befürchtet, in Leid und Trauer versetzt. Da kann man sich denn nichts Anders sagen, als, daß lange leben soviel heiße als viele überleben. Mögen die Guten und Werthen die uns übrig bleiben gesund und froh lange dauern.

Gelänge es Ihnen, meine schöne Freundin, dem vortrefflichen persischen Botschafter einige Blätter schöner orientalischer Handschriften zu entwenden, so würden Sie mir damit viel Freude machen. So eben verehrt mir Major von Beulwitz die Trümmer eines köstlichen geschriebenen Korans, der sich wahrscheinlich seit Vertreibung der Mauren noch in Spanien verhalten hat, in dem letzten Kriege aber blätterweis in alle Welt zersteut worden.

Sonst bewahren wir auch noch mancherley Artiges, was Sie mehr angeht als die Orakel des Mahomets,[282] womit wir Sie bey Ihrer Rückkunft zu unterhalten und zu begrüßen hoffen.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie mich zu Gnaden und Wohlwollen empfohlen seyn.

Der Ihrige

Weimar den 2. März 1816.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Constanze von Fritsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-88E3-9