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An Wilhelm von Humboldt

Vor einigen Wochen, theuerster verehrtester Freund, erhielt ich durch Reisende von Ihrem Herrn Bruder [288] Schreibung und Sendung. In meiner dankbaren Antwort fühlt ich mich gedrungen, ihm zu sagen: daß jenes frühere Verhältniß zu Ihnen beiden mir immer unter den lichtesten Lebenspuncten vorschwebt. Wenn man sich erinnert, was Ziel und Zweck eines jeden damals gewesen, und nun vor sich sieht, was durch große Anstrengung endlich errungen worden, so giebt es einen herrlichen Genuß. Betrachtet man ferner, wie eine gesteigerte Thätigkeit auch späterhin nicht nachläßt, entschiedene Pläne vollkommen auszubilden, um das zu erreichen, was man früher für wünschenswerth gehalten, so ist denn solcher gemeinsamer Lebensgang höchst erfreulich zu überschauen.

Für das übersendete Werk zum besten dankbar, habe ich schon mit Riemer darüber mehrere Stunden conferirt, zu beiderseitigem Vergnügen und Belehrung. Dieser Freund ist gegenwärtig hier nach seinen Wünschen situirt; von den Schulstunden befreyt, kann er seine lexicalischen Arbeiten, welche freylich ganz eigene Aufmerksamkeit und Folge verlangen, ruhig fortsetzen.

So wie ich höre, haben Sie auch die Sprachcharte, die mir früher so wünschenswerth schien, weiter ausgearbeitet, wodurch auch mir eine große Zufriedenheit vorbereitet wird. Ich habe nie unterlassen, über Welt und Menschen fortzudenken, zu sammeln, zu arbeiten, und finde mich dadurch in dem Fall, die Resultate anderer glücklich Mitarbeitenden mir desto reiner zuzueignen.

[289] Und so möge denn dieses Blatt länger weilen, sondern Sie nach einer so langen Pause freundlichst begrüßen.

Weimar den 18. Juni 1821.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-88F4-3