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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

Stadt Eger den 22. August 1823.

Seit sieben Wochen den ersten ruhigen Augenblick wende ich, aus dieser alten, wunderlichen, aber meiner Arbeit und Bemühung immer günstigen Stadt, an den klaren Rhein, zu Ihnen, dem ich soviel zu danken und manches zu melden habe.

Soviel also zuerst, daß ich die kurzvergangene Zeit in Marienbad ohne Unbilden, ja heiter und wie in's Leben zurückkehrend zugebracht habe, auch mich jetzt so wohl befinde, als ich mich lange Zeit nicht gefühlt.

Und so erkenn ich also vorerst die schleunige Gefälligkeit, mir die illuminirten Pflanzen nach meinem Wunsche zu senden, wie Ihr Schreiben sie mir ankündigt und ich sie nach meiner Zurückkunft anzutreffen[184] hoffe. Den großen Werth, den ich auf die Widmung derselben lege, druckt ich aus in jenem beynahe unbescheidenen Wunsch und erkenne in der Erfüllung desselben ganz Ihr geneigtes Wohlwollen.

Viel aber, viel wäre zu sagen, was jene merkwürdige Literatur-Blätter, in leichter reiner Luft einer bedeutenden Bergeshöhe, im Freyen und Stillen wiederholt gelesen und durchgedacht, für eine Wirkung auf mich ausgeübt. Möcht ich mich fromm und kurz fassen, so müßt ich sagen: es kam augenblicklich der Friede Gottes über mich, der, mich mit mir selbst und mit der Welt in's Gleiche zu setzen, sanft und kräftig genug war.

Auch in Freundesbriefen spiegelt sich dieß hin und wieder; die Verhältnisse sehr guter Menschen zu mir und unter einander haben sich dadurch herrlich gesteigert. Wie doch alles Höhere, im Wissenschaftlichen und so durchaus, alsbald ethisch wirkt und so viel sittlichen Vortheil bringt.

Die Hefte von Kunst und Alterthum, so wie von Morphologie wurden nach meiner Abreise retardiert, so daß von dem letzten die Aushängebogen noch nicht einmal in meinen Händen sind. Lange bleiben sie nicht mehr aus; mögen sie Ihnen und Ihrem Kreis empfohlen seyn! Sie enthalten das geistige Verhältniß zu meinen Freunden; was man vielen schreiben möchte, wird durch den Druck auf einmal geleistet, jeder nimmt günstig das Seinige.

[185] Hiernächst eine Frage wegen des folgenden Heftes. Nöthig wird es allerdings den wunderlichen concentrischen Basalt abermals abgebildet mitzugeben; da jedoch der Streindruck das Charakteristische schon einigermaßen abgestumpft hat, so wäre die Frage, ob die Original-Zeichnung mir nicht mitgetheilt werden könnte, um die Abbildung recht bedeutend abermals darzustellen.

Ferner eine Frage: wer ist der Verfasser der zwey Hefte: Kritik der geologischen Theorie, besonders der von Breislack und jeder ähnlichen. Bonn 1821 und 22? doch wohl Nose? Sagen Sie mir gefälligst etwas von des Mannes Alter, gegenwärtiger Beschäftigung, Lebensweise. Ich habe jene zwey Hefte vor kurzem in Marienbad ausgezogen, welches man nothwendig thun muß, wenn man seine humoristische Art zu Nutzen und Frommen verwenden will. Ich theile den Auszug wohl auch mit und nehme mir die Freyheit, daneben gleichfalls humoristisch zu seyn. Ich habe bey dieser Arbeit die merita causae nochmals durchgedacht und schöne Gelegenheit gehabt, zwey merkwürdige, bisher unbekannte, hieher bezügliche Fälle in Böhmen gewahr zu werden und näher zu betrachten; ich werde sie zweckmäßig darzubringen suchen.

Und nun zum Schluß noch Willkommen und Wunsch Ihren Acten! Gar sehr freu ich mich Ihrer großen Thätigkeit und der trefflichen Mitarbeiter, [186] die Sie sich zugesellt haben. Herr Doctor Carus ist in Franzenbrunn, wo ich ihn zu sehen hoffe.

Glück auf! dem treusten Zusammenwirken!

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8913-6