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An Wilhelm von Humboldt

Ihr Brief, theurer verehrter Freund, kam zur merkwürdigen Stunde, die ihn doppelt interessant macht; eben waren die Schillerschen Briefe gesammelt und ich betrachte sie vom Anfang durch, und da find ich denn die schönsten Spuren unseres glücklichen und fruchtbaren Zusammenseyns. Die Einladung zu den Horen macht den Anfang mit einem Schreiben vom 13. Juni 1794. Da es denn so weiter fortgeht und sich mit jedem Briefe die Verehrung des außerordentlichen Geistes, die Freude über dessen Einwirkung auf unsere Gesammtbildung steigert und erhöht. Seine Briefe sind ein unendlicher Schatz, dergleichen Sie auch reichlich besitzen; und wie man durch sie bedeutend vorwärts gekommen, so muß man sie wieder lesen, um vor Rückschritten bewahrt zu seyn, wozu uns die liebe Umwelt täglich und stündlich einzuladen geneigt ist.

[92] Denken Sie sich nun selbst, mein Werthester, wie höchst willkommen Ihre Anmeldung mir in diesem Augenblicke erscheint, worauf ich denn nach reiflichem Nachdenken freundlichst rathen wollte, gegen Ende Octobers bey uns einzutreffen. Sollten die Götter nicht anders über uns disponiren so finden Sie mich, und was Ihnen sonst lieb und werth ist, gewiß allhier versammelt; stille vertrauliche Communication kann mit geselligen Unterhaltungen gar anmuthig abwechseln, und wir erfreuen uns vor allen Dingen eben an dem Schillerschen Briefwechsel, da Sie denn auch von Ihrer Seite einige Jahrgänge mitbringen und wir in fruchtreicher Gegenwart uns an den früheren schönen Blüthen auf's neue auferbauen und erquicken können. Riemer empfielt sich auf's dringendste, es geht ihm gut, unser Verhältniß [ist] bleibend, wechselseitig, förderlich und nützlich. Hofrath Meyer ist nach Wiesbaden abgereist, seine Gesundheit ist leider nicht die beste.

Zwey neue Hefte, zu Kunst und Alterthum und zur Naturwissenschaft, sind im Begriff zu erscheinen; die Früchte meiner Winterbeschäftigung. Sie waren glücklicherweise so sorgfältig eingeleitet, daß meine Übel und die darauf folgende Krankheit unserer Frau Großherzogin, die uns alle, besonders aber er mich Wiedergenesenden in Furcht und Sorge setzte, kein bedeutendes Hinderniß entgegenstellen.

Darf ich mich Ihrer Frau Gemahlin bestens empfohlen [93] wissen, wobey ich nicht zu versichern brauche, daß Sie gewiß auch unseren gnädigsten Herrschaften höchst willkommen seyn werden. In meiner Häuslichkeit entgegnen Ihnen Kinder und Enkel mit fröhlichen Gesichtern, die nächsten Freunde versammeln wir nach Wunsch. Mögen Sie mir in der Zwischenzeit etwas vermelden, so bitte solches hieher unter meiner Adresse, da es mir denn jedesmal baldigst zukommen wird.

Und nun empfehle ich mich Ihrer theuren Frau Gemahlin zum allerbesten, möge das Glück mich unter diesen Umständen auch wieder einmal an ihre Seite bringen. Verzeihung einer etwas zerstreuten uns auf's Einpacken deutenden Schreibart.

Weimar den 22. Juni 1823.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-892A-3