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An Carl Friedrich Zelter

Wie soll ich dir, mein trefflicher Freund, dafür genug Dank sagen, daß du mich auf deiner Reise durchaus als guten Gesellen mitgeführt und dich mit mir beständigt unterhalten hast, wie deine kostbaren Blätter Zeugniß geben. Die erste Sendung erhielt ich in Weimar, die zweyte in Carlsbad, die dritte hier in Jena wo ich seit zehn Tagen wieder eingetroffen bin.

Nun aber habe ich dem regsamen Leben, an dem du bisher Theil genommen, nichts entgegen zu bieten; in Carlsbad, wo mir die Cur sehr wohl bekam, lebte ich vollkommen einsam, außer daß zuletzt Graf Carl Harrach durch seine Unterhaltung mich in den Wiener Strudel mit fortriß, so daß mir manchesmal Hören und Sehen verging, und ich mich daher auf deine lebhafte Darstellung recht gut vorbereitet fühle.

Übrigens gab mir die Freundlichkeit meiner Landsleute das angenehme Geschäft mich auf vielfachen Dank vorzubereiten, den ich ihnen für größere und[50] kleinere Feste, für geistige und verkörperte Gaben nach und nach schuldig ward, wie die Kenntniß davon in das verschlossene Böhmen gelangen konnte. Und so sind mir vier Wochen hingegangen, auch übrigens nicht unbenutzt, indem ich gar manches, was ich diesen Winter bearbeiten will, durchgedacht und schematisirt habe. Da ich es das erste Mal seit langer Zeit ganz allein war, so trug es viel bey mich zu sammeln und meiner eigenen Feder zu vertrauen, wie ich denn seit mehreren Jahren nicht so viel geschrieben habe.

Ferner setze ich mein altes Grillenspiel mit Felsen, Gebirgen, Steinbrüchen und Steinrütschen wieder fort, und bey dem schönsten denkbaren Wetter ging und fuhr ich in der ganzen Gegend umher. Ellenbogen besuche ich zweymal, Schlackenwerth, Engelhaus, Aich waren nicht versäumt; überall Steine geklopft, so daß ich zuletzt die bekannte Müllerische Sammlung von hundert Stücken eben so, als wenn der gute Alte noch lebte, zusammenlegen konnte.

Von menschlicher Einwirkung wüßte ich fast gar nichts zu sagen. Geh. Medicinalrath Berends von Berlin, mein nächster Nachbar, gab mir ärztliche Sicherheit und manche verständige Unterhaltung. Grüße ihn wo du ihm begegnest.

Der große diplomatische Convent ging drey Tage nach meiner Ankunft völlig aus einander. Einige der Herren habe noch gesprochen, und sinne jetzt mit[51] ganz Deutschland über die wichtige Resultate dieses Zusammenseyns.

Schreibe mir bald daß du in Berlin angekommen bist, und sage mir ja von dem Befinden Schadows das Genauste. Es war ganz nahe dran, daß er noch vor seinem Helden hinabgestiegen wäre; freylich ist ein solches Unternehmen zwischen Berlin und Rostock schwieger als mitten in Paris.

Nun lebe wohl und erwarte bald einige Sendung. – Daß du meinen Divan so theuer bezahlen müssen, geht mit in die Reisekosten; unterwegs, wo man das Geld am meisten braucht, scheint es weniger werth zu seyn. Möchtest du aus diesem Büchlein dich wieder auf's neue erbaut fühlen. Es steckt viel drin, man kann viel herausnehmen und viel hineinlegen. Ein gutes Exemplar ist für dich bestimmt. Außerdem schicke ich auch nächstens die Supplemente zur ersten Ausgabe, wodurch auch diese vollständig und brauchbar wird.

Was du über Mohamed und Tancred sagst, ist vollkommen richtig; doch waren mir dergleichen abgemessene Muster zu meinen Theaterdidaskalien höchst nöthig und haben mir unsäglichen Vortheil gebracht, weswegen ich ihnen nicht feind seyn kann.

Und somit nochmals den besten Dank für deine gehaltvollen Sendungen.

treulichst

Weimar [Jena] den 7. October 1819.

Goethe. [52]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8940-D