38/15.

An Johann Friedrich Cotta

Ew. Hochwohlgeboren

vertrauliches Schreiben vom 18. October langte bey mir gerade zu einer Zeit an als ich, durch einen zwar nicht gefährlichen aber doch höchst beschwerlichen Katarrh, fast sechs Wochen lang von aller Mittheilung mich ausgeschlossen sah. Erst jetzt entledige mich nach und nach so mancher versäumten Erwiderung und darf nicht verfehlen mich auch zu einer [18] Antwort an Dieselben, obgleich mit peinlicher Empfindung anzuschicken.

Die Erläuterung, die Sie mir über einen, uns beiden höchst unangenehmen Punct ertheilen, mußten freylich alle die schmerzlichen Gefühle auf einmal wieder erregen, an die ein deutscher Autor Zeit seines Lebens nur allzuoft erinnert wird und welche dießmal den verdüsterten Geist so schwarz als möglich umhüllten.

Denn indem der Schriftsteller manchen, der seine eingeborne Kraft und Fähigkeit zu löblichen Zwecken folgerecht verwendet, prosperiren, und auch wohl im Alter mit Gütern gesegnet sieht, so muß er, der sich's eifrig angelegen seyn ließ seine eigene Bildung und wo möglich die des Vaterlands zu steigern, sich auf mannichfaltige Weise verletzt und um die billige Belohnung seiner unausgesetzten Arbeiten getäuscht sehen.

Jedoch nunmehr, da ein reineres Befinden wieder eingetreten, Lebens- und Thatlust sich wieder aufgefrischt fühlt, so ergreife getröstet den bisher durch treuen Beystand immer fortgesponnenen Faden.

Was inzwischen geschehen liegt in dem neusten, noch auszugebenden Hefte schon am Tag: denn damit die Arbeit ununterbrochen fortgehe habe ich fleißige wohlmeinende Gehülfen herangezogen; besonders blieb Eckermann diesen Winter in Weimar, der mir gar tüchtig die Hand reicht, mit den Meinigen in gutem Verhältniß steht, und den in die sämmtlichen[19] Papiere in denen er fortzuarbeiten hat successive einleiten kann.

In dem nächstfolgenden Hefte wird Erwähnung einer Chronik geschehen, welche die Lücken der früheren umständlichen Bekenntnisse, wie ich sie wohl nennen kann, einigermaßen ausfüllt, von Anno 1792 aber an, bis auf den heutigen Tag, mehr oder weniger ausführlich die durchlebten Jahre behandelt; sie dient schon in ihrer jetzigen Gestalt zur Norm, wie meine sämmtlichen Papiere, besonders der Briefwechsel, dereinst verständig benutzt und in das Gewebe von Lebensereignissen mit verschlungen werden könne. Sogar läßt sich dadurch dasjenige, was im Vaterlande und auswärts für und wider mich geschehen, besser beurtheilen, indem eins wie das andere, aus der Staubwolke einer leidenschaftlichen Empirie, in den reineren Kreis historischen Lichtes tritt.

Ferner werden auch die schon ausgegebenen Werke durchgesehen um sie von allen Druckfehlern zu reinigen.

Wie nun aber diese Bemühungen, und der zur Sustentation und Honorirung der Gehülfen erforderliche nicht geringe Aufwand endlich dem Autor und den Seinigen, nicht weniger dem Verleger zu Gute kommen werde, inwiefern deshalb eine vollständige Ausgabe baldigst zu veranstalten sey, dieß können Ew. Hochwohlgeboren ganz allein übersehen und näher bezeichnen, worüber ich mir gelegentlich Ihre einsichtige Eröffnung erbitte.

[20] Der ich in immer gleichem Vertrauen, mit Überzeugung eines folgereichen Zusammenwirkens, die Ehre habe mich zu unterzeichnen.

Hochachtungsvoll

gehorsamst

Weimar den 14. Januar 1824.

J. W. v. Goethe.


[Concept.]

Nachschriftlich

sey mir erlaubt noch einiges anzubringen.

Zuerst vermelde daß ich 500 rh. Sächsisch von Geh. Cammerrath Frege in Leipzig für Rechnung Ihrer Buchhandlung erhalten habe.

Sodann daß ich unter der Adresse der Buchhandlung nach Stuttgart den Inhalt des neusten Stückes Kunst und Alterthum gesendet, mit dem Wunsch solchen in die von ihr abhangenden literarischen Anzeigen eingerückt zu sehen, worum ich, wenn es noch nicht geschehen seyn sollte, hiedurch nochmals ergebenst ersuche.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Johann Friedrich Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-894A-A