27/7449.

An Sulpiz Boisserée

Ihren lieben Brief von Stuttgart erhielt in dem Augenblick, als ein Schreiben von Herrn Dr. Cotta einlief mit einer dringenden Einladung nach Baden zu kommen. Der gleichstimmige Ruf entschied mich und ich werde kommen, obgleich Zelter, der mich eben verließ, mich eben so dringend nach Wiesbaden, wohin er ging, eingeladen hatte. Das pro und contra, was mich so lange schwanken ließ, will ich nicht wiederholen, wohl aber bemerken, daß Sie mir auf dem Hinweg erlauben werden, im Hecht abzutreten und nach einem kurzen Aufenthalt meine Reise fortzusetzen. Der August darf zum Baden nicht versäumt werden und alsdann bereden wir, wie es auf dem Rückwege zu halten ist. Ich muß mich überhaupt dießmal kürzer fassen.

Daß Sie mein Heft im Ganzen billigen, freut mich sehr, es war schwierig genug zu schreiben. In diesen Tagen las ich es wieder durch und finde, daß ein guter Grund gelegt ist, um nunmehr weiter zu bauen. Man kann auf der einen Seite strenger und auf der andern läßlicher werden. Im nächsten Stücke wollen wir suchen Ihre Sammlung abzuschließen und gar manches hat sich sonst schon gefunden.

Von oberdeutscher Kunst wünsch' ich von Ihnen zu hören. Sehr richtig ist das Gefühl, daß es [79] schwierig ja beynahe unmöglich ist vom Augenblick öffentlich zu sprechen, man muß immer hie und da sich Böttigerscher Phrasen bedienen. Das Absurde was man vertilgen möchte ist gerade dem Menschen das Wertheste. Auch zu der Anschauung des Leonard da Vinci möge Glück gesprochen seyn, das Vortreffliche ist denn doch das erste und einzige Labsal, es löst alle Räthsel des Gefühls, des Urtheils und der Meinung.

Wohlgemuth und Albrecht Dürer werden, in Ihrer Gesellschaft betrachtet, erfreulich und unterrichtend seyn.

Hierbey eine Rolle von dem guten Rabe. Die Kirche ist gut gerathen, doch wünscht ich ad hunc Actum die Häuser niedergerissen, welche den untern Theil verstecken.

Haben Sie lange nichts von Berlin gehört? Ich habe Spur, daß man die Negoziationen mit Ihnen ernstlicher anknüpfen wird. Die Hauptbedingung wird seyn, daß Sie Sich entschließen, dem neuen Babylon anzugehören. Gegen Ende des Monats lang ich an und schreibe noch kurz zuvor.

Möge Ihnen alles wohl gelingen. Treulich verbunden.

Weimar d. 10 July 1816.

G. [80]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-895C-2