5/1258.

An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Exzell. heute nicht mit einem Besuch zu behelligen, erbitt ich mir die Erlaubniß diesen schrifftlichen Abschied zu nehmen, und zugleich einiger kleinen Angelegenheiten zu erwähnen.

Zuförderst dancke nochmals ergebenst für die gestrige gütige Aufnahme, und empfehle das weitere gütiger Vorsorge.

Ferner muß ich eines Menschen gedencken der sich gegenwärtig hier aufhält und dessen Zustand mich in Verlegenheit sezt. Es ist der Fechtmeister Fellon von Leipzig. Dieser Mensch dessen schon einmal in einer Session Erwähnung geschah, zeigte sich in Belvedere, [151] und bestand in einem Versuch mit dem hiesigen Fechtmeister nicht übel. Da Herr v. Brincken solche Bedingungen gemacht, und auf selbigen bestanden hatte daß es schien als wenn man mit ihm nicht einig werden würde; so schien mir Fellon eine gute Acquisition zu seyn, ich hies ihn nach Leipzig zurückgehn und versprach ihm nach eingehohlter Erkundigung von dem Herrn Prof. Clodius auf den er sich berief eine baldige Entschliesung. Die Antwort des Professors auf meine Anfrage kam erst vor einigen Tagen und das Zeugniß lautete also: »Fellon hat in Leipzig nichts wider sich als ein Privilegium das ihn nötigt den Ort zu verlassen. Der Fechtmeister versagt ihm selbst das Zeugniß nicht, daß er nach französcher Art, gut fechte. Einige iunge Herrn von Stande die bey ihm fochten, versichern daß sein Betragen gegen sie seinem Berufe angemessen sey. Arm ist er, vielleicht dient auch dies zu seiner Empfehlung bey einem Menschenfreunde.«

Diese Empfehlung schien mir für einen Mann dieser Art hinreichend, allein da Herr v. Brincken neuerdings mehrere Lust zu dieser Stelle gezeigt und sich wieder anbieten lassen, so wurde die Sache zweifelhafft und ich würde sie zur Deliberation vorgelegt haben, wenn meine Abreise mich nicht verhinderte.

Indessen ist mehrgenannter Fellon, der von Herrn Clodius gehört, daß er ihm ein gutes Zeugniß gegeben habe, hier angekommen, und liegt mit seiner [152] Frau, ohne einen Heller Geld, wie er mir mit der grösten, einem Franzosen nur möglichen Leichtigkeit versichert, im Elephanten, und bittet flehentlich um das Stückgen Brod, das ich ihm wohl gerne gönnen mögte. Ausser seiner Armuth spricht seine Munterkeit für ihn, und sein artiges Betragen, das mich überzeugt er werde mit iungen Leuten sich gut zu benehmen wissen und sich Schüler machen. Er wünscht nur etwas weniges zur Einrichtung und den Fechtboden frey, so getraut er sich ohne Pension seinen Lebensunterhalt zu erwerben, wollte man ihm 50 rh. oder 100 f. iährlich akkordiren so würde er glücklich seyn, und diese eigentlich unbesoldete Stelle fiele keiner herrschafftlichen Casse zur Last. Wollten Ew. Exzell. ihn einen Augenblick vor Sich kommen lassen; so würden Sie dessen Personale selbst beurtheilen können.

Da aber auf der andern Seite auch verschiednes für Brincken spricht; so wage ich nicht ienen ausschlieslich zu empfehlen, sondern bitte es geneigtest in Deliberation zu nehmen. Serenissimo, und Herrn Geh. Rath Schnaus habe eben diese Gesinnungen zu erkennen gegeben. Was ich an Brincken aussetze ist daß er zu still, nicht gegen iunge Leute prävenant genug, und für unsre Akademische Umstände zu vornehm seyn möchte. Einem Fechtmeister schadet ein wenig Charletanerie nicht. Dem Franzosen will ich einige Thaler zu seinem nothdürftigsten Unterhalte reichen bis sein Schicksaal entschieden ist.

[153] Noch ein Anliegen des iungen Voigts empfehl ich Ew. Exzell. er möchte gern einen Charackter haben. Besonders da er ietzo seine mineralogischen Reisen drucken läßt, wo es dem Werckgen, das hoff ich Beyfall erhalten wird, ein besseres Ansehn geben möchte; ich glaube ein Bergkommissarius würde sich für sein Verhältniss nicht übel schicken, und er verdient nach seinem Charackter und Applikation, ein solches aufmunterndes Gnaden Zeichen.

Wollten Sich Ew Exzell. wohl wieder gütigst meiner verwaisten Kriegskasse annehmen, man wird Sie ohne Noth nicht behelligen.

Mich zu fortdauernder freundschafftlicher Zuneigung empfehlend

Ew. Exzell.

Weimar

gehorsamster Diener

d. 24. Jun. 81.

Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Jakob Friedrich von Fritsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-897A-D