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An Carl Ernst Schubarth

Und so ist mir denn auch zur sonst glücklichen Stunde der Wunsch gewährt, daß Sie in Berlin und in der Nähe des vortrefflichen Mannes angelangt sind; nun kann ich alles der Vernunft und dem Glück überlassen.

Zuvörderst aber will ich meinen Segen zu einer schleunigen Verehelichung geben, sobald Ihre Hütte[169] einigermaßen gegründet und gedeckt ist. Alles, was Sie darüber sagen, unterschreibe Wort für Wort, denn ich darf wohl aussprechen, daß jedes Schlimme, Schlimmste, was uns innerhalb des Gesetzes begegnet, es sey natürlich oder bürgerlich, körperlich oder ökonomisch, immer noch nicht den tausendsten theil der Unbilden aufwiegt, die wir durchkämpfen müssen, wenn wir außer oder neben dem Gesetz, oder vielleicht gar Gesetz und Herkommen durchkreuzend [einhergehen] und doch zugleich mit uns selbst, mit andern und der moralischen Weltordnung im Gleichgewicht zu bleiben die Nothwendigkeit empfinden.

Ihr Homer wird immer erfreulicher, je länger man dabey verweilt. Da es eine Zeit ist, zu spalten, und eine andere, wieder zu vereinen, eigentlich aber doch nur die Menschen die Zeit machen, so sehe ich in den jungen Männern, die das letztere bewirken, ganz eigentlich gute Dämonen, welche das Versöhnen und Einen als nothwendigen Naturtrieb empfinden.

Melden Sie sich bei Zelter; er wird Ihnen, hoff ich, freundlich begegnen; dieser außerordentliche Mann wird Sie als Künstler und Mensch in Verwunderung setzen.

Vorstehendes war gleich nach dem Empfang Ihres Briefes geschrieben; Heinrich Nicolovius sollte das Blatt mitnehmen, er ist aber noch hier, und so send ich es ab.

[170] Daß Sie von Herrn Staatsrath Schultz wohl empfangen seyn würden, davon war ich überzeugt; es freut mich, daß Sie auch mit Herrn Geh. Rath Wolf zusammen gekommen, auch er wird auf seine Weise Ihnen in hohem Grade nützlich seyn. Gewöhnen Sie sich an, widersprochen, gescholten zu werden, verlangen Sie weder Zustimmung noch Theilnahme, am wenigsten Beyfall, und so wird Ihnen der Umgang mit diesem außerordentlichen Manne sehr heilsam sein; denn indem er alles zu versagen scheint, gewähr er alles. Grüßen Sie ihn zum allerschönsten von mir und zum allerbesten.

Meinen jenaischen Aufenthalt habe nunmehr verlassen und bin in die weimarischen Winterquartiere gezogen, wo ich hoffe fleißig zu seyn und auch für Sie etwas Erfreuliches zu leisten.

Herr Zelter ist jetzt hier und geneigt, wenn Sie ihn aufsuchen, Ihnen freundlich zu begegnen.

Glück auf der neuen Lebensbahn.

Weimar den 7. November 1821.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Carl Ernst Schubarth. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8986-2