13/3848.

An Friedrich Schiller

Es ist mein recht herzlicher Wunsch daß sich die Stimmung zu einer poetischen Arbeit recht bald wieder bey Ihnen finden möchte. Leider ist Ihre Lage im Garten von einer Seite so ungünstig als sie von der andern günstig ist, besonders da Sie sich mit dem Bauen eingelassen haben. Ich kenne leider aus frühern Zeiten diese wunderbare Ableitung nur allzusehr, und habe unglaublich viel Zeit dadurch verdorben. Die mechanische Beschäftigung der Menschen, das handwerksmäßige Entstehen eines neuen Gegenstandes, unterhält uns angenehm, indem unsere Thätigkeit dabey Null wird. Es ist beynahe wie das Tabakrauchen. Eigentlich sollte man mit uns Poeten verfahren wie die Herzoge von Sachsen mit Luthern, uns auf der Straße wegnehmen und auf ein Bergschloß sperren. Ich wünschte man machte diese Operation gleich mit mir, und bis Michael sollte mein Tell fertig seyn.

Da das elegische Sylbenmaß sich nach allen Seiten hin bewegen läßt, so zweifle ich gar nicht an einem glücklichen Erfolge einer lyrischen Behandlung. Ich erinnere mich schon selbst, in früherer Zeit, eine ähnliche Intention gehabt zu haben.

Aus der Beylage sehen Sie daß unser erster anaglyphischer Versuch gut genug gerathen ist. Der Abdruck ist nur aus freyer Hand gemacht, wo das Kreuzchen [222] steht ist er am besten gerathen und Sie werden leicht sehen daß sich diese Arbeit sehr hoch treiben läßt. Der Einfall macht mir viel Spaß. Facius ist grade der Mann um so was auszuführen und unser Meyer, indem er weiß was sich in dieser beschränkten Art thun läßt, wird durch seine Zeichnung das Unternehmen heben. Wir wollen zum Almanach eine ähnliche, jedoch sehr reiche Decke besorgen, sie soll alsdann auf farbig Papier abgedruckt und mit harmonirenden Farben illuminirt werden. Das alles zusammen wird nicht theurer zu stehen kommen als eine Kupferdecke mit Stich und schwarzem Abdruck. Ich bin überzeugt daß, wenn es einmal im Gange ist, so muß es, besonders da nun viele Bücher geheftet ausgegeben werden, sich als Deckenzierrath sehr weit verbreiten.

Übrigens habe ich mich diese Zeit mit Redaction meiner eignen und der Meyerschen Aufsätze beschäftigt. In acht Tagen wird das erste Manuscript abgehen; indem ich mich daran halte so wird zugleich das nächste Stück fertig und ich sehe von dieser Seite einen weiten Raum vor mir.

Diese Tage habe ich mehrere Stunden mit Herrn van Marum zugebracht. Es ist eine gar eigne, gute und verständige Natur. Er hat sich viel mit Elekricität abgegeben, ich wünschte daß er länger hier bleiben könnte, so würde man auch mit diesem Theil geschwind zu Rande seyn, er empfahl mir den dritten Theil seiner Schriften, in welchem die neusten Resultate [223] dieses wichtigen Capitels der Naturlehre aufgezeichnet sehen.

Eins will ich nicht leugnen daß mich indessen die Redaction der Meyerschen Arbeiten unglücklich macht. Diese reine Beschreibung und Darstellung, dieses genaue und dabey so schön empfundne Urtheil fordert den Leser unwiderstehlich zum Anschauen auf. Indem ich diese Tage den Aufsatz über die Familie der Niobe durchging, hätte ich mögen anspannen lassen um nach Florenz zu fahren.

Die Romanze der Frau von Staël kenne ich, es sind wunderliche passionirt-gedachte Productionen.

Ich war diese Tage mit Meyern in einer kleinen Differenz über die wir uns noch nicht ganz ausgesprochen haben, er behauptete, daß sogar das genialisch naive in einem gewissen Sinne durch Schule überliefert werden könne, und er mag wohl Recht haben wenn man den Ausdruck nur so modificirt: daß die auf den Werth desselben in der bildenden Kunst gerichtet werden könne und solle. Sonderbar scheint es freylich daß in unserer Zeit sogar die Idee davon völlig verloren gegangen ist, wie an dem neulichen Vorschlag Danneckers zu einem Basrelief erhellet und wie uns in Gesprächen mit Thouret, welcher der Repräsentant einer großen Masse ist, indem er Künstler und Publikum zugleich vorstellt, aufs neue so sehr aufgefallen ist. Sein Jahrhundert kann man nicht [224] verändern, aber man kann sich dagegen stellen und glückliche Wirkungen vorbereiten. Einer meiner nächsten Aufsätze soll den Titel führen: über die Hindernisse, die dem modernen Künstler im Wege stehen, vom gestaltlosen zur Gestalt zu gelangen. – Der Raum läßt mir nur noch ein Lebewohl zu.

Weimar am 21. Juli 1798.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-899D-0