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An Carl Ludwig von Knebel

Mayland d. 24. May 88.

Manche Schuld mein l. Knebel werde ich dir mündlich abzutragen haben, denn ich habe dir lange nicht geschrieben. In der letzten römischen Zeit hatte ich nichts mehr zu sagen, es ging hart zu da ich mich[375] trennte. Nun wittre ich wieder Gebirgs und Vaterlands Luft da wird mirs denn, wo nicht besser, doch anders.

Erst heute hat mich die Mineralogie wieder einmal angelächelt. Ich war beym Vater Pini und sah seine Berge kristallisirten Feldspaths und ward wieder einmal nach einem Stück Stein lüstern. Er hat mir einiges versprochen, es ist ein guter behaglicher Mann.

Nun habe ich eine schöne Reise vor mir. Auf Como über den See nach Cleven Chur und so weiter. Da wird auch manch Stück Granit betreten und wieder einmal geklopft werden. Ich kaufe hier einen Hammer und werde an den Felsen pochen um des Todes Bitterkeit zu vertreiben.

In Rom wurde kein Stein mehr angesehen wenn er nicht gestaltet war. Die Form hatte allen Anteil an der Materie verdrängt. Jetzt wird eine Crystallisation schon wieder wichtig und ein unförmlicher Stein zu etwas. So hilft sich die menschliche Natur, wenn nicht zu helfen ist.

Ich höre von fern, und kann es ohne das vermuthen daß mein Egmont in alle Welt ausgangen ist. Ich wünsche daß er auch gedruckt meinen Freunden Freude mache, die ihm, da er als Manuscript kam eine gute Aufnahme gönnten.

Jetzt bin ich an einer sonderbaren Aufgabe, anTasso. Ich kann und darf nichts darüber [376] sagen. Die ersten Ackte müßen fast ganz aufgeopfert werden.

Nun lebe wohl. Bald werden wir uns sehen. Ich bringe vieles mit wenn Ihr nur im Fall seyd es zu genießen. Liebe mich.

G. [377]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1788. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-89DB-6