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An Christian Gottfried Körner

Eigentlich sollte es keine äußere Veranlassung seyn die mich bewegte Ihnen zu schreiben, denn ich habe Ihnen genug für das zu danken, was Sie über den Almanach und über den letzten Band meines Romans an Schiller schrieben, ich habe mich über den Antheil zu freuen den Sie an meinen Productionen nehmen. Wenn man auch immer selbst wüßte, welchen Platz eine Arbeit, die wir eben geendet haben, die nun einmal so seyn muß, weil sie so ist, in dem ganzen Reiche der Litteratur verdiene, welches doch eigentlich unmöglich ist; so würden immer noch gleichgestimmte und einsichtige Urtheile anderer uns äußerst willkommen seyn. Da man aber (ich sollte sagen: ich aber) niemals ungewisser ist als über ein Product [283] das so eben fertig wird, bey dem man seine besten Kräfte und seinen besten Willen erschöpft hat, und wo doch demohngeachtet ein gewisses geheimes Urtheil noch manches zu fordern sich berechtigt glaubt, so bleibt ein inniger Antheil, der sich nicht ans einzelne hängt, sondern in dem ganzen lebt, eine sehr erquickliche Erscheinung.

Wie ein Schiffer, der von einer gefährlichen Fahrt zurückkommt, sich deswegen doch nicht im Hafen halten kann, sondern wieder sobald möglich ausfährt, so habe ich mich auch wieder aus eine neue Reise begeben. Ein episches Gedicht das etwa auf 6 Gesänge und 2000 Hexameter steigen kann, ist jetzo meine Liebe und meine Sorge. Je mehr man dem Beyfall giebt was davon schon fertig ist, desto bänger bin ich, ob ich auch so endigen werde wie ich angefangen habe, doch hilft hier, wo bey einem für recht erkannten Plan die Ausführung bloß von dem Augenblick abhängt, weder hoffen noch sorgen, hier ist der Glaube eigentlich am Platz. Die zur Einleitung bestimmte Elegie lege ich in Abschrift bey.

Und nun zu dem Anliegen das mich zu diesem Briefe bewegt. In der Oper Il matrimonio Secreto, die wir vor einigen Tagen gegeben haben, fehlt in unserer Partitur ein Duett, welches ich sobald als möglich zu besitzen wünschte. Es ist das Duett im ersten Acte zwischen dem fremden Grafen und dem heimlich verheiratheten jungen Manne, ich weiß nicht [284] wie sie beyde im Italienischen heißen. Gewiß ist diese Oper beym Dresdner Theater, könnten Sie mir dieses Stück Musik, in Partitur, sobald als möglich verschaffen und schicken, so wurden Sie mir eine besondere Gefälligkeit erzeigen. Die Oper hat hier gefallen und dieses Duett wird ihr bey folgenden Aufführungen noch eine besondere Zierde geben.

Auf eine neue Schrift mache ich Sie bey dieser Gelegenheit aufmerksam: auf das Werk der Mad. de Stael über den Einfluß der Leidenschaften auf das Glück der Einzelnen und der Nationen. Eine sonderbare tiefe leidenschaftliche Natur, durch das gewaltsame Feuer der Revolution unbarmherzig geläutert, bringt hier den Metallkönig ihres Gehalts vor die Augen des Publikums.

Leben Sie recht wohl. Grüßen Sie mir Ihre Frauenzimmer. Dorchen wird sehen, daß, ich weiß nicht durch welchen Zauber, meine neue Heldin schon wieder Dorothea heißt. Die kurzen Tage gehen uns jetzt ganz heiter vorüber, wir haben zwar keine große aber doch eine muntere und gefällige Eisbahn.

Vielleicht kann Ihnen oder jemanden von Ihrer Gesellschaft beyliegende Tonleiter zur Guitarre nützlich seyn. Weimar den 8. Dec. 1796

Goethe. [285]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Christian Gottfried Körner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A04-F