22/6202.

An Johann Friedrich Cotta

Ew. Wohlgeb.

freundliches Schreiben wünschte am liebsten mündlich zu beantworten, weil dasjenige was mich beunruhigt alsdann wohl in kurzem abgethan seyn würde. Ich versuche jedoch meine Absicht zu concentriren und empfehle sie einer günstigen Beherzigung.

[175] Als Ew. Wohlgeb. im Jahre 1805 Sich, ausser der Hauptausgabe, noch einen Abdruck in Taschenformat vorbehielten, trug ich um so weniger Bedencken einzuwilligen, als ich mir denselben von jener verschieden dachte, wie ohngefähr der kleine Faust einen Maasstab zu geben schien, wobey ich voraussetze daß beyde Abdrücke wo nicht gleichzeitig hervortreten, doch kurz auf einander folgen würden. Wenn sich nun die Sache verzögerte und vor anderthalb Jahren eine Ankündigung des zweyten Abdrucks erschien; so glaubte ich um so weniger etwas dabey erinnern zu können, als noch genugsame Zeit vorhanden und ich Ew. Wohlgeb. so manches schuldig geworden, was mich zu einer lebhaften Danckbarkeit aufrief.

Sollte aber jetzt, kurz vor Ablauf des contracktli chen Termins, eine neue, der ersten fast gleiche Auflage, für geringen Preis ins Publicum gespendet werden; so sehe ich eine vorbereitete, korreckte und vollständige Ausgabe meiner Wercke, welche doch auch noch erleben möchte, ins Unbestimmte hinausgerückt, besonders wenn ich den vorhandenen Nachdruck und Unbilden der Zeit bedencke.

Diese meine Verlegenheit wird noch dadurch vermehrt, daß die Meinigen, denen ich, in Betracht der Vergänglichkeit eines menschlichen Individuums, von meinen oekonomischen Verhältnissen Notiz zu geben gewohnt bin, dieses Ereigniß mit einer besondern Ombrage betrachten, welche zu mildern ich mich nicht [176] im Stande sehe. Vielleicht entspringen diese Besorgnisse aus meiner Unkenntniß des Handelsganges und würden bey mündlicher wechselseitiger Erklärung wohl gehoben werden können.

Ich habe geglaubt unserm schönen vertraulichen Verhältnisse schuldig zu seyn Ew. Wohlgeb. diesen Anstos zu eröffnen und ich will nicht läugnen daß ich jene vorgeschlagne vorzurückende neue Ausgabe, als ein Ausgleichungsmittel dachte, wobey die Ihnen noch zustehenden zwey Jahre auf irgend eine beliebige, billige Weise in Betracht kommen müßten.

Überzeugen Sich Ew. Wohlgeb. daß mir in diesem Augenblicke alles vor der Seele schwebt was ich Ihnen seit so viel Jahren angenehmes, gutes und vortheilhaftes verdancke und eben deswegen mit unbegränztem Vertrauen die Zweifel eröffne die mich beunruhigen. Ich empfehle die Angelegenheit und mich Ihren freundschaftlichen Gesinnungen.

W. d. Octbr. 1811.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Johann Friedrich Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A07-9