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An N.N.

In diesen heiligen Nächten von welchen Shakespeare sagt

[Dann darf kein Geist umhergehn, sagen sie,
Die Nächte sind gesund, dann trifft kein Stern,
Kein Elfe faht, noch mögen Hexen zaubern,
So gnadevoll und heilig ist die Zeit]

habe ich umständlich und ausführlich von Ihnen geträumt, ich fand Sie freundlich und hübsch, anmuthig und schön, so liebenswürdig als möglich und mir wie immer gewogen. Ihre Gegenwart war mir unentbehrlich geworden und alle traumartigen Hindernisse, [153] die mich in der großen pallastähnlichen Wohnung von Ihnen zu entfernen sich fügten, vermochten es nicht, ich war immer wieder an Ihrer Seite, gleich vertraut und vertrauend, ich verweilte statt zu gehen und wenn ich gegangen war, kam ich wieder, sogar daß es mir zuletzt schien beschwerlich geworden zu seyn. Ich beschied mich, eilte nach der Thüre eines großen Gartens, die ich aber verschlossen fand.

Sollte das nicht auf eine recht innerlichste Zuneigung deuten, auf unbezwingliche Anhänglichkeit und wahre Liebe. Dies sey also gleich zu Papier gebracht, damit der wache Traum des Lebens diese lieblichen Erscheinung nicht unbemerkt verschwinden mache.

[154]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. Briefe an Unbekannte. An N.N.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A0E-C