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An Carl Friedrich von Reinhard

Auch mit diesem Hefte, verehrter Freund! muß ich wiederholen, daß ich mich bey'm Verfassen und Redigiren desselben im voraus gefreut habe, meinen theuern Abwesenden, denen ich so lange geschwiegen und von denen ich wenig vernommen, werde dadurch einiges Angenehme zubereitet. Hier ist es, wie es gelingen wollen, und möge nun erfreuen, aufregen und Gedanken veranlassen, die es nicht bringt.

Ich habe diese schönen Sommerwochen her ein körperlich-zufälliges Übel geduldet, ohne eigentlich zu leiden. Billigen Forderungen an meine Geisteskräfte [158] konnte ich genug thun. Ich habe einiges hervorgebracht, das sich aufweisen läßt, manches Andere in's Ganze gearbeitet, in der Absicht, daß die ersten Sendungen meiner Werke immer bedeutender werden möchten, sodann um den übrigen auch manchen Vortheil zu verleihen.

Freundliche Mittheilungen aus Frankreich, besonders von Herrn Cuvier, haben mich in die Naturbetrachtung gezogen. Die fast tagtägliche Unterhaltung mit den Herren vom Globe gibt mir viel zu denken. Ich sehe recht gut, daß ihre Zwecke weiter liegen, als mir in meinem Alter zu blicken erlaubt ist; aber ihre Betrachtungen, rückwärts und vorwärts, sind mir wichtig belehrend; geben doch ihre Schrift- und Blattgenossen selbst ihnen das beste Zeugniß, bey Gelegenheit ihrer Äußerungen in der Sache Montlosiers. Fürwahr, sie sind streng und kühn, gründlich und mitunter rhadamanthisch; sie sprechen absichtlich, deshalb man sich ihnen nicht hingeben darf; sie zeigen durchaus einen großen Verstand den man bewundert, wenn man auch nicht beystimmt.

Übrigens ist das Weltwesen so groß und erstaunlich, daß ich mir auf meinem kleinen Boote durch die große Kriegsflotte wie mich durchwindend erscheine. Schwimmt doch alles neben mir, aber dem Auge nicht meßbar und dem Sinne nicht faßlich.

Indessen ich nun wie ein wachender, nicht erwachter Epimenides die vorübergezogenen Lebensträume[159] durch den Flor einer bewegten Gegenwart beruhigt schaue, saus't Freund Müller in der weiten Welt umher, neue Genüsse zu suchen, ältere zu wiederholen. Und da hoffe ich denn, er wird bey seiner Rückkehr auch das Nähere von Ihrem Wohlbefinden und glücklichen Zustande zu kennen geben. Freylich haben Sie jetzt, da die Flagge vom Admiralschiff St. Johannes weht, einen prägnanten Augenblick zu beachten.

So weit war ich gekommen, als Herr Canzler mir von einer neulich unternommenen Reise meldet. Möge das schöne Wetter, das wir haben, auch Sie begleiten. Das Heft Kunst und Alterthum geht an Ihren Herrn Sohn und möge bey der Rückkehr freundlich angeblickt werden. Der liebenswürdigen Reisegefährtschaft bitte mich bestens zu empfehlen. Gar schön wär es, wenn ich, wie von einem frühern Ausflug, auch einige Nachricht späterhin erhalten könnte.

treu angehörig

Weimar den 20. September 1826.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A18-3