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An Friedrich Schiller

Da eben eine Theaterdepesche nach Rudolfstadt geht so will ich den Boten nicht ohne ein Paar Worte an Sie abfertigen.

Wegen des Hauses habe ich mit Müllern abgeschlossen, Charlotte will einiges darin lassen woran sie ganz freundlich handelt.

Kommen Sie glücklich hierher! Der Weg nach Rudolfstadt ist den Weimaranern diesmal nicht günstig gewesen.

Über Ihre Marie wird es mir eine Freude seyn mit Ihnen zu verhandeln. Was die Situation betrifft so gehört sie, wenn ich nicht irre, unter die romantischen. Da wir modernen nun diesem Genius nicht entgehen können, so werden wir sie wohl passiren lassen, wenn die Wahrscheinlichkeit nur einigermaßen gerettet ist. Gewiß aber haben Sie noch mehr gethan. Ich bin äußerst neugierig auf die Behandlung.

Unsere Preiszeichnungen sind nun ausgestellt, der Saal ist noch nicht eröffnet und es haben sie wenige gesehen; allein es scheint mir daß der Kreis von Urtheilen schon ziemlich durchlaufen ist.

[173] Über das Absurde schreit jedermann auf und freut sich etwas so tief unter sich zu sehen. Über das Mittelmäßige erhebt man sich mit Behaglichkeit. DenSchein lobt man, ohne Rückhalt und ohne Bedingung; denn der Schein ist eigentlich in der Empirie das allgemein Geltende. Das Gute das aber nicht vollkommen ist, übergeht man mit Stillschweigen; denn das Ächte, was man am Guten bemerkt, nothigt Achtung ab, das unvollkommene das man daran fühlt erregt Zweifel, und wer den Zweifel nicht selbst heben kann mag sich in diesem Falle nicht compromittiren, und thut auch ganz wohl daran. Das Vollkommene, wo es anzutreffen ist, giebt eine gründliche Befriedigung, wie der Schein eine oberflächliche und so bringen beyde eine ähnliche Wirkung hervor.

Wir wollen sehen ob das Publikum sich noch mannigfaltiger beweist. Geben Sie doch auch auf Ihrer gegenwärtigen Excursion Acht, ob Sie das Schema nicht completiren können. Es wäre doch hübsch wenn man es dahin brächte daß man wüßte was die Leute urtheilen müssen.

Leben Sie wohl und vergnügt, grüßen Ihre liebe Frau und kommen glücklich zu uns; es verlangt mich so sehr Sie wieder zu sehen als ich in meiner jetzigen Lage wünschen muß wieder eine Epoche zu erleben, da meine Zustände ein wenig zu stagniren anfangen.

Weimar am 4. Sept. 1799.

G. [174]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A41-3