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An Carl Friedrich Zelter

Forsetzung des letzten Schreibens.

Der wunderlichste Fall der sich so eben ereignet darf nicht verschwiegen werden. Wie ich Vorstehendes dictire, erhalt ich eine Dissertation aus Prag, wo vor einem Jahr unter den Auspicien des Erzbischofs meine Farbenlehre ganz ordentlich in der Reihe der übrigen physikalischen Capitel aufgeführt ist und sich ganz gut daselbst ausnimmt. Dieser Gegensatz hat mir viel Spaß gemacht, daß man in katholischen Landen gelten läßt, was in calvinischen nicht nur verboten, sondern sogar discreditirt ist. Ich weiß es recht gut: man muß nur lange und in Breite zu wirken suchen, da macht sich denn zuletzt doch alles wie es kann.

[244] Vorstehendes war freylich schon seit dem Abgange meines letzten Briefes geschrieben und es schien bisher, als wenn die Gegenwart der wacker Doris an deiner Statt erschienen sey. Nun sind die Frauenzimmer wieder abgereis't und kommen wahrscheinlich früher als das Gegenwärtige.

Doris wird manches Freundliche von Weimar zu erzählen haben; sie fand hier an Frau v. Poswisch, Fräulein Ulrike, Emma Froriep schon längst bekannte vertraute Freunde und so erwarb ihr verständiges, ruhiges und doch lebhaft-theilnehmens Betragen manche neue Wohlgewogene. Auch gab es Gelegenheit, unsre Exhibitionen, insofern sie schaubar und genießbar sind, kennen zu lernen und sich bis auf einen gewissen Grad daran zu ergötzen. In unserm stillen Haushalt konnte sie sich an mäßiger Bequemlichkeit genügen und sie kommt gewiß in manchem Sinne erholt und gefördert in ein lebhaftes thätiges Haus- und Tageswesen zurück. Der kleinen Facius ist es auch gut gegangen, und wenn ihr die Deinigen noch eine Zeitlang nachhelfen, so hoff ich sie wird noch diesen Sommer von Rauchs Gegenwart genug profitiren.

Deine letzte Schilderung des Theaters und Gesangwesens erhalt ich so eben, zu meiner großen Erbauung. Hier sieht man das Menschliche zugleich mit dem Kunst reichen in seinem eigenen und immerwährenden Conflict. Du hast über Talent und dessen Ausbildung einige goldne Worte gesprochen die mit einem [245] Commentar zurücksenden werde. Fahre fort mitzutheilen was du gewahr wirst und was du denkst, und überzeuge dich daß du uns und andern einen Schatz sammelst. Ich will das Gleiche, wenn auch von anderer Seite, beyzubringen suchen.

In der Mitte treffen wir doch immer gewiß zusammen, und deshalb wollen wir keine Zeit versäumen.

Für dießmal das beste Lebewohl und die schönsten Grüße an die Deinigen.

und so fort an!

Weimar den 20. Februar 1832.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1832. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A48-6