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An Sulpiz Boisserée

In sehr kalter und kaum durch Einheizen zu bezwingender Stunde vermelde schuldigst, daß die Münzen glücklich angekommen sind. Möge Herr Binder, da er weiß, was wir besitzen, auf das Mangelnde gefällig acht haben und für das Neuste, aus Spanien, Portugal, Amerika und von Griechenland her, seine monetarische Aufmerksamkeit bethätigen.

Auf die Note: daß über eine hübsche Sammlung von böhmischen Münzen des Mittelalters ein besonderer Katalog mitgetheilt werden könnte, erwidere hiermit, daß ich zwey Freunde kenne die auf diese Gegenstände ein Auge werfen, jedoch nur mäßige Preise zu zahlen gewohnt sind, meistens aber zu tauschen pflegen.

Ihrer Anfrage wegen der Solly'schen Sammlung kann ich nur vorläufig im Allgemeinen entgegen: [283] daß ich von einsichtigen Freunden, die solche längere und kürzere Zeit gesehen und studirt, nur immer das Hefte davon vernommen habe. Ich werde Meyern, ohne Ihrer Anfrage zu erwähnen, darüber auf's neue besprechen.

Mit Herrn Oersted hätt ich wohl noch einen Tag Unterhaltung gewünscht; es war mit wenigem viel von ihm zu lernen, und zugleich weiß er aufzunehmen. Er steht auf einer so hohen Stufe wissenschaftlicher und sittlicher Cultur, daß es nur noch einen Ruck am Vorhang bedurfte, um mein Farbenwesen ihm ganz in's Klare zu setzen. Das alles wird sich denn nach und nach ausgleichen; mit diesem würdigen Manne wäre es leicht gewesen.

Nähere Kenntniß der Statue so wie der mir noch unbekannten Freundlichkeit Lord Byrons erwarte in stiller bescheidener Thätigkeit; vielleicht haben Ihnen die Aushängebogen des letzten Stückes von Kunst und Alterthum (dessen Versendung, ich weiß nicht warum, retardirt wird) schon gesagt, was ich in Absicht meiner früheren Unternehmungen, und um die Zeugnisse meines Daseyns festzuhalten, gethan.

Seit der Zeit hab ich fortgefahren, den Epitomator mein selbst zu machen: denn es ist gewissermaßen noch lustiger, ein vorliegendes Leben als ein vorliegendes Buch auszuziehen. Den Hauptbegriff hab ich vorerst gefaßt, daß man es epochenweise behandeln müsse; denn obgleich sich alles an einander schließt, so gibt's doch Absätze und Einschnitte.

[284] Die vier Jahre von 1806 bis 1809 einschließlich sind angegriffen und bauen sich schon wunderlich hervor; nun will ich nicht ruhen, bis diese Epoche zu einer gewissen Vollständigkeit und Befriedigung zusammensteht, damit rück- und vorwärts ein Beyspiel sey. Man lernt indessen, was zu thun ist und was man thun kann.

Im Jahre 1810 finde ich Ihre freundliche Sendung durch Buchhändler Zimmer, vermittelt durch Graf Reinhard. Diese Grundlage und was daraus erwuchs verdient wohl, einer neuen Aera den Charakter zu geben. Wie herrlich steht nun das Gelingen eines so bedeutenden, redlichen, folgerechten Strebens in Ihren Blättern vor mir! Erinnerung und Gegenwart begegnen sich so schön.

Nun will ich aber doch inne halten und mich erfreuen, daß ein ganz stiller und einsamer Abend diese Mittheilung hervorlockte.

treulichst

Weimar den 27. Jänner 1823.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8A7A-5