40/189.

An den Großherzog Carl August

[Concept.]

Königliche Hoheit.

Wenn die freud- und ehrenvollen Tage, womit uns das letzte Viertel des vergangenen Jahrs beglückte, uns beynahe über den dem Menschen gegönnten Zustand hinaus zu heben schienen; so hat uns der Schluß desselben, auf eine höchst unerwartete Weise, an das[223] tief Niederbeugende erinnert, wodurch wir unsere Abhängigkeit anzuerkennen genöthigt sind. Weil jedoch in jedem Falle Besonnenheit die Haupteigenschaft ist, welche von dem Gebildeten verlangt wird, so halte ich bey'm Eintritt des neuen Jahres für meine höchste Pflicht umherzuschauen, wieviel, nach erduldetem Verlust, noch übrig bleibt.

Höchst Dieselben sind überzeugt daß Ihro Huld, Gnade und Neigung vor allem was auf mich einwirkt oben an steht; und so schau ich denn mit möglichster Fassung umher auf das Vorliegende, auf manches Einzelne und besonders auf dasjenige woraus Ew. Königlichen Hoheit einige vergnügte Unterhaltung erwachsen könnte. Möge Gutes nach Gutem eintreten und gelingen!

Und so hab ich denn mir auch Glück zu wünschen, daß bey dieser neuen Epoche

1) eine angenehme Sendung eintrifft, die ich sogleich vorlege, es ist die 13. und 14. Lieferung des Boisserée'schen Steindruckwerkes, welche, wie ich hoffe, den vorigen an Verdienst gleichkommen werden.

2) An Director v. Schreibers vermelde alsbald das Nöthige. Ein angefangener ausführlicher Catalog über die große osteologische Sammlung in Jena läßt mich einige Lücken bemerken, die vielleicht von Wien her auszufüllen sind.

3) Denen guten Personen in Albany kann ich nur erwidern, daß ich mich dieses Berczy recht wohl [224] erinnere. Ich werde etwas Umständlicheres über mein Verhältniß zu ihm aufsetzen, wenn es auch den Wünschen seiner Nachkommen nicht entsprechen kann. Sein Aufenthalt in Florenz selbst war etwas mysterios; er hatte, bey Aufhebung der Klöster, sehr schöne alte Bilder gekauft, die er wieder abließ, wodurch ich mit ihm bekannt ward. Von seiner Herkunft und seinen Verhältnissen war niemals die Rede.

4) Den merkwürdigen Aufsatz von der Haarkrankheit werde mir vom Geheimen Hofrath Stark zurück erbitten; er ist mit großer Sorgfalt ausgearbeitet, recht wie es einem Mikroskopisten geziemt. Überhaupt bleibt das Verhältniß zu dem Verfasser instruirend und fruchtbar.

5) Leider daß ich diese Aufklärung nicht mit dem guten Rehbein theilen kann, der den pathologischen Fall zur Sprache brachte! Und so wird mir nur allzu fühlbar, welche bedeutende Unterhaltung über die wichtigsten Angelegenheiten der Menschheit ich fortan vermisse, da ich bisher, in täglichem Gespräche, physische, physiologische und pathologische Probleme mit ihm durchzudenken und durchzuarbeiten Gelegenheit fand, wozu denn noch die schöne Beruhigung kam, einen unterrichteten und vertrauten Arzt an der Seite zu haben.

6) Das Schreiben unsres Herzogs Bernhard ist wirklich höchst erfreulich und geisterhebend. Seine, zugleich tüchtige und verständige Behandlungsweise[225] jener neuen Bewohner der neuen Welt ist in vielfachem Sinne zu Betrachtungen aufregend. Dürfte ich wohl gelegentlich um die Journale bitten, sie würden mich über gar manches, was ich nur im Allgemeinen kenne, gar freundlich aufklären.

7) Der hoffnungsvolle Besitzer eines wahrscheinlich beireisischen Diamanten scheint wenigstens keinen Begriff von der Härte solcher Edelsteine zu haben. Um einen solchen echten Stein schleifen zu lassen werden große Summen erfordert. Findet er Jemand zunächst, der ihn schleift, so wird ein hübscher Bergkrystall zum Vorschein kommen, weniger werth als der rohe mit seiner Feuersteinhülle gewesen wäre. Doch bleibt es immer der Mühe werth, den Verfolg dieser Angelegenheit zu erfahren.

Weimar den 4. Januar 1826.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8AB8-C