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An Carl Ludwig von Knebel

Das übersendete Programm, welches mir Riemer, um mich nicht zu betrüben, verheimlicht hatte, konnte mir freylich wenig Freude machen. Wie schade ist es, daß ein Mann von solchen Gaben wie Schulze in solche Fratzen verfällt, und nun als Lehrer manchen Jüngling wo nicht fürs ganze Leben, doch auf mehrere Jahre irre führt. Ich glaube nicht, daß irgend eine Nation eine solche Lust am Krebsgang hat, als die Deutsche. Kaum schreiben unsere Mädchen und Jünglinge, unsere Hausfrauen und Geschäftsmänner einen natürlichen Styl und wissen sich allgemein verständlich und angenehm auszudrücken, so treten junge Männer auf, um etwas ganz fremdes, ungehöriges, unverständliches und abgeschmacktes geltend zu machen. Und hinter allem diesen steckt doch eigentlich nur die falsche Sucht, Original seyn zu wollen. Wir können nur bedauern, was wir so deutlich einsehen.

Daß man in Jena an ein neues Zeitungsblatt denkt, kann ich nicht mißbilligen, besonders wenn ein so vorzüglicher Mann wie Luden die Redaction übernehmen will. Mag man mir die Intentionen näher bekannt machen, so will ich gern darüber auch meine Gedan ken sagen; vorzüglich aber würd ich rathen, ehe man hervortritt, sich mit den höhern Behörden, den [31] preußischen und östreichischen, in Rapport zu setzen: denn von nun an sollte kein Deutscher etwas auf eigene Hand unternehmen. Von allem diesem zu seiner Zeit ein mehreres.

Der Erbprinzeß Kaiserl. Hoheit hat sehr hübsche und nützliche Sachen, sowohl für hier als für Jena, mitgebracht. Sie verdient ganz eigentlich eine Friedensfürstin zu seyn, ob sie sich auch gleich im Kriege recht gut ausnimmt und seit ihrem Hierseyn manches zu vermitteln gewußt hat.

Voigts glückliche Rückkehr freut mich für ihn und uns; ich habe diese tage an Geheimerath Leonhard nach Hanau geschrieben, um zu vernehmen, wie es diesen Freunden in der letzten Zeit gegangen ist; es wäre zu bedauern, wenn ihre wissenschaftliche Sorgfalt dem ungeheuern Übel nicht entgangen wäre.

In dieser confusen Zeit wußte ich mich nicht besser zu zerstreuen, als daß ich meine Kunstsachen, besonders die Kupferstiche, in Ordnung brachte. Ich fange an sie nach den Schulen zu legen und die verschiedenen Sammlungen zu vereinigen; im Zusammenhang wird jedes Blatt instructiv, und man besitzt mehr als man geglaubt hat. Jetzt lebe schönstens wohl und laß bald wieder von dir hören.

Weimar den 13. November 1813.

G. [32]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8ABA-8