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An Severin Graf Potocki

[Concept.]
Hochgeborner Graf
Hochzuverehrender Herr.

Das Vertrauen womit Ew. Excellenz mich beehren, indem Hochdieselben, bey Besetzung einiger Stellen auf [357] der Akademie Charkof, Vorschläge von mir zu vernehmen wünschen, habe ich in beyliegendem gehorsamsten Promemoria zu verdienen gesucht, weßhalb ich Ew. Excellenz weitere Befehle erwarte.

Hochdero verehrliches Schreiben vom 12. Octobr. ist mir erst den 10. Nov. zugekommen, worauf ich die von verschiedenen Seiten einzuziehenden Erkundigungen nicht früher habe sammeln können.

Ich wünsche daß meine Nachrichten nicht zu spät kommen mögen und bitte um Verzeihung, wenn ich mich meiner Muttersprache bediene als in welcher ich mich am bestimmtesten auszudrücken glaube.

Zugleich muß ich bekennen daß ich den Ort, von welchem Ew. Excellenz Ihro Brief abgelassen, nicht zu entziffern vermocht, deswegen ich auch Gegenwärtiges durch Einschluß an des Herrn Fürsten Czartorisky Durchl. abzusenden mir die Freyheit nehme.

Der ich mich übrigens zu gnädigem Andenken empfehle, und die weiteren Entschließungen erwartend pp.

W. d. 27. Nov. 1803.


[Beilage.]

Ganz gehorsamstes Promemoria.

Des Herrn Senators Grafen Potocki Excellenz haben, als Curator der Akademie zu Charkof, von Unterzeichnetem die Benennung einiger Professoren, zu verschiedenen daselbst noch offenen Stellen, verlangt. [358] Man ermangelt daher nicht, nach Kenntniß mehrerer Subjecte, nach eingezogener Erkundigung und angestellter Prüfung, sich dieser angenehmen Pflicht sogleich zu entledigen.

Zur Professur der Moral, des Naturrechts und des allgemeinen Staatsrechts sowohl als zu allen Vorlesungen, welche die theoretische und praktische Philosophie enthalten, kann man Herrn Doctor Schad empfehlen.

Es ist derselbe ohngefähr 40 Jahr alt, ein geborner Francke. Er hat, von Jugend an, sich erst in alten und neuen Sprachen, besonders aber in der alten Litteratur umgethan und sich nachher vorzüglich der Philosophie ergeben, dabey die Dogmen der verschiedenen christlichen Kirchen, die Gesetzgebung überhaupt, so wie die Geschichte zu studiren nicht versäumt, auch sich der Redekunst beflissen und, als Mitglied verschiedener litterarischer und kritischer Anstalten, fleißig gearbeitet.

Seit sieben Jahren hält er sich in Jena auf, wo er theils seine philosophischen Studien fortgesetzt theils die dem Philosophen unentbehrlichen empirischen Kenntnisse zu erweitern gesucht. In der Beylage sind seine Schriften verzeichnet, welche er seit vier Jahren herausgegeben. Ein Compendium der Moralphilosophie, des Naturrechts und der Politik liegt zum Druck bereit. Es hat ihm, ohngeachtet der großen Concurrenz philosophischer Vorlesungen, hier [359] niemals an Zuhörern gefehlt. Man rühmt an ihm einen deutlichen und bündigen Vortrag und er ist nicht abgeneigt einen Ruf zu einem größern Wirkungskreise anzunehmen.

Was die Chemie betrifft findet sich ein empfehlungswürdiges Subject, Herr Ludwig Schnaubert, Sohn des hiesigen verdienten Hofrath Schnauberts, ohngefähr 24 Jahr alt. Er hat sich früh auf der hiesigen Universität mit den Naturwissenschaften bekannt gemacht, ist sodann nach Erfurt, in das chemisch-pharmacevtische Institut des Herrn Tromsdorf aufgenommen worden und hat daselbst die praktische Chemie, die Apothekerkunst und die dabey erforderliche Waarenkunde studirt, auch in der Officin förmlich zur Lehre gestanden und ist als ein gelernter Apotheker entlassen worden.

Hierauf kehrte derselbe nach Jena zurück und ergab sich fleißig dem Studium der neusten zahlreichen chemischen Schriften, lieferte verschiedene Abhandlungen in chemische Journale, deren Verzeichniß die Beylage enthält, nahm den Doctorgrad an, und ist im Begriff auf Ostern seine Vorlesungen anzufangen.

Ob nun gleich auch dieser junge Mann keine Ursache hat sich von Jena wegzusehnen; so schien ihm doch der Antrag auf eine von einem so großen Monarchen beschützte Akademie, als einem thätigen ein ganzes Leben vor sich sehenden Manne, höchst anziehend. Von seinen besonderen Wünschen werde ich[360] mir die Freyheit nehmen unten etwas weiteres zu erwähnen.

Zur Professur der Physik und der angewandten Mathematik, würde sich der Professor Herr Johann Carl Fischer vollkommen eignen. Es ist derselbe ein geborner Thüringer, seine Jugend brachte er auf verschiedenen angesehenen Schulen zu, dergleichen in Sachsen und Thüringen mehrere eingerichtet sind, und befleißigte sich, auf der Akademie Jena, vorzüglich der Mathematik, Physik und der Cameralwissenschaften.

Er machte sich durch mehrere geschätzte Schriften, deren Verzeichniß beygefügt ist, bekannt. Seinen mathematischen Vorlesungen fehlte es niemals, ohngeachtet der Concurrenz, und seinen physischen, ohngeachtet ihm ein vollständiger Apparat abging, welchen der eigentliche Professor der Physik besitzt, an zufriedenen Zuhörern.

Dieses ist ohngefähr dasjenige was man zu Schilderung obgedachter drey Männer vorlegen wollte. Sie sind sämmtlich protestantischer Religion, von unbescholtnem Rufe. Der letzte ist verheyrathet und Vater von 2 Kindern.

Unterzeichneter wünscht nun daß es des Herrn Grafen Potocki Excellenz gefällig seyn möchte, das nähere, was Männer, die sich jener Anstalt widmen, erwarten dürfen, gefällig bekannt zu machen.

Uns ist die Verordnung Ihro Kaiserl. Majestät wegen der Akademie Wilna zu Gesicht gekommen[361] und wir vermuthen daß solche im allgemeinen auch für Charkof gelte.

In dem Briefe an Unterzeichneten bestimmen des Herrn Curators Excellenz die Summe der Besoldung zu 2000 Silberrubel. Man wünschte nun zu erfahren:

Wie es mit einer Pension nach etwa 25 Dienstjahren gehalten würde.

Was, bey früherm Absterben des Mannes, Frau und Kinder allenfalls zu erwarten hätten.

Welche Reise- und Transportkosten auf diesen so weiten Weg gezahlt würden.

Wann die Reise unternommen und die Stelle angetreten werden müsse.

Ob man hoffen dürfe die Besoldung etwa ein Vierteljahr vor Antritt des Amtes schon zu genießen.

In wie fern auch zu Charkof wie zu Wilna auf ein physisches Cabinet, auf ein chemisches Laboratorium und dergl. höchste Begünstigungen zu rechnen sey.

Nächstdem bittet der Chemikus Doctor Schnaubert um Erlaubniß zu Errichtung eines chemisch-pharmacevtischen Instituts junge Apotheker zu bilden, weßhalb ihm denn die Direction der Universitätsapotheke wünschenswerth wäre. Er offerirt sich zu Anlegung eines Cabinets der pharmacevtischen Waarenkunde und würde bey allen technischen Anstalten, Fabriken und Manufacturen, die sich nach den Umständen des Locals schicklich anlegen ließen, seine Thätigkeit gern erproben.

[362] Welches alles man des Herrn Curators Excellenz weiser Beurtheilung hiermit gebührend anheim stellen will.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An Severin Graf Potocki. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8AC4-0