[236] 9/2846.

An Friedrich von Schuckmann

Daß ich Ihnen nicht geschrieben, nicht für die freundliche Aufnahme und für so manches Gute gedanckt, verzeihen Sie mir gewiß. Ich bin aus einer Zerstreuung in die andere gerathen und auch diesen Brief erhielten Sie nicht, wenn nicht eine ernsthafte Veranlassung mich dazu dränge.

Welches Vertrauen ich zu Ihnen gefaßt, haben Sie gewiß in den letzten Zeiten unseres Umganges gefühlt, und mit Vergnügen habe ich bemerckt, Sie auch aus der großen Menge unterschieden und ein besonderes Vertrauen auf Sie geworfen.

[236] Es fragt sich also: ob Sie Sich wohl entschlössen aus einem großen und weiten Kreise in einen kleinen und engen zu gehen. Beyde Arten zu existiren haben ihre Vorzüge; wenn man in einem Großen Zirckel weiter würckt, so würckt man in einem kleinen sicherer und reiner; der Abdruck unseres eigenen Geistes kommt uns geschwinder entgegen.

Doch ich will nur fragen, nicht schildern und überreden.

Der Platz der Ihnen zugedacht ist, ist ein Platz im Geheimen Conseil, es ist die letzte Instanz, wohin alle Dinge gelangen, wohin alle Arten von Geschäften gebracht werden.

Für einen wohldenckenden, thätigen Mann ist schon Beschäftigung genug da und das Feld nicht klein. Es besteht dieses Collegium gegenwärtig aus drey Männern, alle von Jahren. Mein Stuhl, der dritte, steht seit sechs Jahren leer, aus Ursachen die ich Ihnen rein sagen werde. Nehme ich je wieder Besitz davon, so werde ich mich freuen mit Ihnen arbeiten und ich hoffe auch zu Ihrer Zufriedenheit.

Sie sehen es ist eine der ersten Stellen in unserm kleinen Staate; etwa 1400 Thlr. würde die Besoldung seyn. Mehr sage ich nicht für dießmal. Sollten Sie den Antrag nicht ganz ablehnen, so werden Sie mir soviel special Fragen vorlegen als Sie mögen, und ich will sie gern beantworten. Ich bitte [237] bald um ein Wort, dann bitte ich besonders, daß Sie den Antrag geheim halten, weil ich sonst, besonders wenn Sie ihn ablehnten, auf mehr als eine Weise compromittirt werden könnte.

Leben Sie recht wohl und behalten Sie mir Ihre Freundschaft.

Weimar d. 25. Nov. 90.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1790. An Friedrich von Schuckmann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8AC6-C