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An den Großherzog Carl August

[Concept.]

Ew. Königl. Hoheit

sind, wie wir alle hoffen und glauben, nach glücklicher Reise an den heilsamen Quellen angelangt; möge daselbst alles nach Wunsch gedeihen.

Hiebey nehme mir die Freyheit zu übersenden:

1. Den Schluß meiner kleinen Wolkenverhandlung. Die Absicht war, die Howardische Lehre ganz in die Enge zurück zu ziehen, ihre Anwendung durch fünfwöchentliche Beobachtung durchzuführen und einiges Allgemeine bey dieser Gelegenheit zu sagen. Diese[154] Darstellungen haben große Schwierigkeiten. Die wichtigste liegt darin, daß die sämmtlichen Wolkencharaktere zwar durch's Jahr und durch sämmtliche Weltgegenden durchgehen, daß sie aber nach Jahreszeiten, klimatischen und Höhe-Verhältnissen Ausdruck und Bedeutung verändern. Find ich im Herbst Gelegenheit, wieder vier Wochen einer bedeutenden atmosphärischen Folge nachzugehen, so ergiebt sich wohl ein interessanter Parallelismus mit der Frühlingszeit.

2. Indessen sind Posselt und Körner nach Ew. Hoheit ausgesprochenen Absichten thätig, sie setzen sich vorerst in Bekanntschaft mit dem, was früher durch die Mannheimer geschehen. An mehrere bedeutende Männer ist geschrieben, Herr v. Lindenau vorzüglich begrüßt, so daß zu hoffen steht, wenn Höchstdieselben zurückkommen, werde schon ein guter Anfang vorzulegen seyn.

3. Da man es, wo nicht einflußreich in die Meteorologie, doch wenigstens an und für sich bedeutend hält, die Declination der Magnetnadel zu beobachten, so soll der erste Jahresbetrag des neulich Verwilligten zu einem Declinatorio verwendet werden; es giebt schon schöne Muster hiezu, an welchen Körner nach mechanisch erfinderischer Art wahrscheinlich manches abzuändern finden wird.

4. Um auf Naturgeschichte überzugehen, so kam die von Neustadt überschickte Ente gerade zu der Zeit [155] an, als ich das Glück hatte, gerade die guten fürstlichen Kinder bey mir zu sehen; Prinzeß Auguste herzte und küßte sie sogleich und that ihr so schön, daß sie wieder hätte lebendig werden sollen.

5. Hofrath Carus von Dresden hat mir auf mein Ansuchen doch noch von jener grabsuchenden Lindenwurzel ein Bündel schicken können, obgleich leider, wie ich schon vermuthete, die interessantesten Verzweigungen vernachlässigt und zerstört waren. Unterdessen enthält dieses Stück noch immer eingeschlossene Knochen; wie in einem Nestchen ist eine untere Kinnlade zu bemerken.

6. Daß ich indessen von der Grabeswurzel sogleich zur höchsten Blumenflor mich verfüge, so bemerke, daß Adele Schopenhauer vor ihrer Abreise einen Theil des Seghersischen Blumenbildes zu copiren angefangen, nun aber nach ihrer Rückkehr von Danzig das Blatt vollenden möchte. Mit höchster Erlaubniß würde das Bild aus Ihro Zimmer wegnehmen und dem guten talentvollen Kinde, dem ein solcher Trost wohl zu gönnen ist, bestens empfohlen anvertrauen.

7. Hat Professor Kosegarten die wunderlichen Schriftzüge des Indiers für echt tamulisch erklärt; jedoch scheint, daß der Taschenspieler auch hier zu einiger Täuschung Zuflucht nahm; anstatt zu schreiben, was man ihm aufgab, mochte er das Alphabet oder was ihm sonst aus seinen Kinderjahren geläufig wär, niederschreiben.

[156] 8. Ein neuer vielfältiger Schmelzungsversuch kommt so eben aus dem Ofen von Zwätzen, funfzig Gebirgsarten waren abermals der Feuerqual ausgesetzt, davon sich die meisten refractär bewiesen und wenige, indem sie sich blätterten oder verschlackten, auf weitere Wege deuteten.

9. Professor Clarus zu Leipzig hat die Beschreibung eines Gewitterorkans am 8. Juli 1819 sehr lebhaft und zulänglich geliefert. Man sieht, was für gute Aufmerker und geistreiche Beschauer in Deutschland vertheilt sind.

Jena den 13. August 1820.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8AD8-4