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An den Herzog Carl August

[Weimar, December 1811.]

Ew. Durchl.

haben meine neulich vorgebrachte unterthänigste Bitte in gnädigen Betracht gezogen, und werden mir daher vergönnen daß ich sie etwas umständlicher motivirt gegenwärtig wiederhohle.

Mein Sohn erfüllt nächsten Weihnachten sein zwey und zwanzigstes Jahr. Vor drey und einem halben Jahr ging er, durch Privat und öffentlichen Unterricht, so wie durch einen beständigen Umgang mit mir genugsam vorbereitet, nach Heidelberg, um sich dort vor allen Dingen eine Kenntniss der Rechtsgrundsätze zu erwerben. Wie er dort seine Zeit zugebracht, wie er sich betragen, davon legen die beygefügten Testimonia wohl ein unverdächtiges Zeugniss ab.

Er begab sich darauf nach Jena um sich dem kameralistischen Fache zu widmen wozu er um so mehr vorbereitet war als er von Jugend auf von mir selbst in den Naturkenntnissen unterrichtet worden, auch mich auf Reisen wiederholt begleitend in Jena Halle, Helmstedt, Göttingen, längere oder kürzere Zeit des Umgangs und der Belehrung der ersten Naturforscher genos. Wie er sich in Jena benommen, davon werden der Obrist von Hendrich, Professor Sturm [394] und Döbereiner kein ungünstig Zeugniß ablegen. Sodann hat letzterer in seinem Compendium, einer Entdeckung die dieser sein aufmerksamer Zuhörer gemacht nahmentlich erwähnt und ihn dadurch nicht wenig ausgezeichnet.

Überzeugt daß Leben mehr als Lehre bilde, lies ich ihn nach anderthalb Jahren von Jena abgehen und nach Capellendorf zu dem Rentsecretair Urlau ziehen. Hier ist er denenjenigen Geschäften welche in einem Herzoglichen Rentamte vorkommen aufmercksam gefolgt, und hat zugleich die ländliche Öconomie dabey näher kennen lernen, nicht weniger sich durch Lesung dienlicher Schriften weiter ausgebildet. Den ihm von Herzoglicher Regierung verwilligten Access beym Justiz Amte hat er fleißig genutzt und unter Anleitung beyder Beamten, einen Entwurf zu einer Frohnebeschreibung verfertigt, die dazu nöthigen Registraturen selbst aufgesetzt. Wie denn die durch den Rentbeamten bey Herzoglicher Cammer einzureichende Abschrift zu gnädigster Einsicht und Beurtheilung hier bey liegt.

Er hat ferner das Glück gehabt von den meisten Gliedern der Herzoglichen Cammer bey Commissarischen Verhandlungen zu denen ihm der Zutritt gestattet worden an verschiedenen Orten, wie er sich denn auch einer geneigten prüfenden Aufnahme des Herrn Geh. Rath v. Voigt zu erfreuen gehabt.

[395] Daß dieser mehr gedachter mein Sohn, das einmal ergriffene Geschäft mit Aufmerksamkeit und Gründlichkeit zu behandeln gesonnen ist, davon dürfte auch die gleichfalls beyliegende angefangene Sammlung von Wollproben zeugen, wodurch der Unterschied eines so wichtigen Erzeugniss vor Augen gebracht und das Urtheil darüber allein gesichert werden kann.

Nach allem diesem wünsche ich nunmehr meinen Sohn einige Jahre bey mir zu behalten, um die Zeit die mir noch gegönnt ist auch seinem Vortheil zu benutzen und sowohl durch Umgang als durch zweckmäßige Lecktur ihn immer weiter ausgebildet zu sehen. Aber alles würde unzureichend seyn, wenn er nicht in Thätigkeit versetzt auf das eigentliche Ziel seines Strebens unmittelbar hingewiesen ia sich demselben eiliger zu nähern gewissermassen genöthigt würde.

Ew. Durchl. haben die Gnade gehabt ihm vorläufig den Charackter eines Cammerassessors zu ertheilen und in ihm dadurch die Hoffnung einer wircklichen baldigen Anstellung erweckt, die ihn bisher bey allen seinen Schritten belebt hat, und um deren unschätzbare Erfüllung Vater und Sohn hierdurch nochmals Ew. Durchl. unterthänigst angehen. Beyde werden nicht verfehlen durch thätige Treue zu zeigen wie sie den hohen Werth von Ew. Durchl. gnädigem Beyfall und höchstem Zutrauen anzuerkennen und zu verehren wissen.

[396]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B17-8