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An Friedrich von Gentz

[Concept.]

Ew. Hochwohlgebornen

meine Ankunft in Carlsbad zu melden, halte um so mehr für Schuldigkeit, als ich noch meinen aufrichtigen und lebhaften Dank für die köstliche Sendung abzustatten habe. Schon vor einiger Zeit erhielt ich das gefällige Ankündigungs-Schreiben, wenige Tage vor meiner Abreise die sehnlich erwartete Rolle, für welche ich höchlich verpflichtet bin: denn ich gestehe gern, daß ich zwar in allem was ich von Fräulein von Kerpen gesehen, eine entschieden angeborne Gabe bemerkt, sowie eine durch anhaltenden Fleiß erworbene Leichtigkeit der Ausführung; daß aber dieß vortreffliche Frauenzimmer dieses natürliche Talent so weit ausgebildet, im ganz eigentlich künstlerische Werke verfertigen zu können; dieses war mir nicht anschaulich geworden. Das gegenwärtig mir gegönnte zeugt[98] nicht allein von einer sehr geübten Hand, sondern auch von einem sehr zarten Sinne, und ist von mancher Seite, besonders auch dadurch bewundernswürdig, daß man die Eigenschaften und Verdienste des Originalbildes darin gar wohl erkennen, und sich vom Geiste wie von der Behandlung desselben einen deutlichen Begriff machen kann. Nur durch die Schätzung des Geleisteten kann ich mich einer solchen Gabe werth fühlen, und möchte, ohne daß ich meinen Dank in vielen Worten ausdrückte, Ew. H. ersuchen, sowie Sie durch Ihren gütigen Einfluß mir dieses Kunstwerk verschafft, so auch Ihre glückliche Gabe sich auszudrücken zu einer recht gehörigen und bedeutenden Danksagung bey der lieben Geberinn zu verwenden, wozu ich noch die aufrichtigsten Glückwünsche wegen der bevorstehenden Verbindung beyzufügen bitte. Ich sage nicht zu viel, wenn ich versichre, daß jenes schöne Werk unter die vorzüglichsten Gegenstände gehört, deren Anblick ich mich bey meiner Nachhausekunft zu freuen habe.

Wie ich es diesen Sommer halten werde, weiß ich noch nicht ganz genau. Durchlaucht der Herzog werden in diesen Tagen in Teplitz eintreffen. Vielleicht statte ich dort, wie im vorigen Jahr, einen Besuch ab. Zwar ist es etwas apprehensiv sich gegenwärtig in Böhmen zu bewegen, indem man bey der großen Erschütterung, welche das Patent hervorgebracht, nicht weiß wie und worauf man eine Rechnung [99] machen soll. Mögen Ew. H. mir etwas von Ihnen Vorsätzen für diesen Sommer vertrauen, so findet mich ein Brief noch 14. Tage bis 3. Wochen gewiß in Carlsbad. Einige vertrauliche Nachricht von dem Befinden der Frau v. Eybenberg würde mir zu großer Beruhigung gereichen. Für die höchst gefällige Ausrichtung meiner frühern zudringlichen Aufträge bleibe ich ein verbundener Schuldner und wünsche Ew. H. auch dieses Jahr zu begegnen und mich persönlich Ihrer fernern Gewogenheit zu empfehlen.

Von diesem seit langer Zeit mir so lieben Ort kann ich nur so viel vermelden, daß das herrlichste Wetter daselbst herrscht, doch läßt sich vermuthen daß diese Reinheit der Atmosphäre weit ausgebreitet sey und entfernte Freunde eines gleich angenehmen Frühlings genießen. Die Zahl der Badegäste ist sehr gering. Man hat noch nicht einmal ein Blatt der gewöhnlichen Liste ausgeben können. Nach Quartieren ist Nachfrage gewesen. Manche Gäste haben wieder abgeschrieben, weil die Carlsbader in diesem Artikel einen allzuschnelle Steigerung beliebt haben. Das übrige zum Leben erforderliche ist leidlichen Preises. So viel hiervon.

Carlsbad den 23. May 1811.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Friedrich von Gentz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B2B-B