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An Christian Gottlob Voigt

Von dem Inhalt beyliegender Papiere sind Sie schon unterrichtet, bis wir uns mündlich darüber besprechen nur einstweilen so viel.

Die Herderschen Aufsätze scheinen mir fürtrefflich, um so mehr da die Resultate sämmtlich stehen bleiben, wenn man seine leidenschaftliche Äußerungen gegen akademische Philosophie und Theologie, in die man freylich nicht ganz einstimmen kann, von seinem übrigen Raisonnement absondert. Seine Vorschläge haben das schöne daß alles was da ist gebraucht, genutzt, verbessert, erhöht werde und zusammenwirke.

1. Das hiesige Gymnasium wird um eine anständige Stufe höher gerückt.

2. Die Studierenden kommen später und besser vorbereitet auf die Akademie.

3. Daselbst können sie in jedem Sinne dasjenige sich zweckmäßiger zueignen was gewissermaßen nur auf der Akademie zu finden ist.

4. Sie bleiben mit dem Consistorio auch während des akademischen Aufenthalts in Connexion.

[369] 5. Sie werden in ihre Amtsführung nach und nach eingeleitet.

Diese Folge von guten Wirkungen ist unschätzbar und ich bin überzeugt, daß Herder die Einrichtung gar wohl zu Stande bringen wird. Die Kosten sind mäßig und werden wohl aufzubringen seyn.

Nur wünschte ich daß man sich mit der Akademie Jena nicht in Opposition setzte und bey der Geschichte der Philosophie auch die Geschichte der neusten mit Billigkeit vorzutragen nicht unterließe, so daß junge Leute nicht ganz unbekannt mit der kritischen Philosophie schon auf die Akademie kämen. Geschieht das nicht und man will nur seine Zöglinge vor der neuen Lehre wie vor einem unbekannten Ungeheuer warnen, so läßt sich sicher voraussehen daß alsdann drüben mancher zum Renegaten werden und mit seinen hiesigen Lehrern, ja mit dem Oberconsistorio selbst in eine leidige Opposition kommen werde. Denn so wenig man jetzo irgend einen Menschen abhalten kann, Theil an den französischen Principien zu nehmen, so wenig kann man einen deutschen Jüngling vor der neuen Philosophie, sie sey auch wie sie sey, verwahren; aber das dürfte möglich seyn, durch gründlichen und klaren Unterricht ihn so zu bilden daß er sich nicht Gesinnungen oder Meinungen mit einem leidenschaftlichen Vorurtheil hingebe. Wenn die Sache weiter zur Sprache kommt, an die Collegien und an die Landschaft zu gelangen hat; [370] so wäre wohl aus den Herderischen Aufsätzen ein dritter auszuziehen, der blos die merita causae enthielte, denn selbst in seiner reinsten Gestalt wird ein solcher Vorschlag Aufsehen auf der Akademie machen, welches so viel als möglich zu vermeiden ist.

So trefflich nun die Herderschen Aufsätze sind, so daß mir wenigstens auf den ersten Blick alles in vollständigstem Zusammenhang erscheint, so unter aller Kritik sind die Eisenachischen Papiere. Ich brauche nur das Einzige anzuführen: daß man unüberlegt genug ist die Beziehung der Akademie gänzlich unnöthig machen zu wollen, da Herder hingegen sich als einen guten Haushälter zeigt, indem er das was da ist nur besser und zweckmäßiger zu nutzen anräth.

So viel zu einem guten Morgen nur aus dem Stegreife. Wenn es gefällig so besprechen wir uns bald weitläufiger über die Sache.

Den 3. December 97.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1797. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B31-C