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An Johann Gottlob von Quandt

Ew. Hochwohlgeboren

erwidere freundlichst das gefällige Schreiben vom 4. Februar mit Bitte um Verzeihung wegen zu langen Aufschubs.

Zuvörderst also vermelde: daß in dem Verzeichniß der Weimarisch-Eisenachischen Kunstfreunde einige Veränderung vorgegangen ist.

Nr. 257. Herr Staatsminister v. Gersdorff – gegenwärtig Herr Rocheid aus Schottland.

Nr. 475. Frau v. Werthern auf das Schloß Beichlingen, gegenwärtig Herr v. Ahlefeld auf Ludwigsburg im Herzogthum Schleswig.

Sodann bemerke, daß der nach der ersten Sendung von 300 Thalern gebliebene Rest von 45 Thalern am 29. Januar d. J. an Herrn Hofrath Winkler abgegangen, worüber ich aber keine Quittung bey meinen Acten finde.

Die erste Glasscheibe ist wieder hergestellt, indem, genau besehen, eigentlich nur das zusammenfügende Blei aus einander gegangen war. Die zweyte ist glücklich angelangt und wohl aufgenommen worden. Ich habe beide nicht gesehen, da ich nicht ausgehe und Bedenken trug, wegen der Zerbrechlichkeit, sie mir holen zu lassen.

Die Gewinnste nicht weniger sind wohlbehalten zu mir gekommen. Die Landschaft in Öl und das Kupfer[157] dankenswerth; was die gezeichnete Landschaft aber betrifft, die so vieles Verdienst hat, daß man erfreut wäre, die Viertelsgröße davon zu besitzen, konnte nicht zu des Gewinners Zufriedenheit dienen. Er hatte keinen Platz an irgend einer Wand, um sie aufzustellen, und schenkte sie daher einer öffentlichen Anstalt, die nun auch verlegen ist, sie irgendwo anzubringen.

Machen Sie doch ja Ihre Künstler aufmerksam, solche Riesenbilder nicht zu unternehmen und an Privatpersonen zu denken, denen ein solcher Gewinn zufallen kann; der gegenwärtige Fall ist wirklich bedauernswerth. Eine vorzüglich sorgfältige Landschaft mit Schwarz und weißer Kreide auf grau Papier, die man weder durch Glastafeln schützen, weder vor Staub, noch Fliegen, noch ungeschickten Kehrbesen sichern kann, die sogar schon jetzt an ein paar Stellen gelitten hat! Wie gesagt, denke man an den Empfänger und gehe nicht in's Weite. Die Bergpartie rechts, wo die Mühle, mit ihrem kleinen Gartengelaß und sonstigen Feld- und Gartenumgebungen, ganz allerliebst gedacht und ausgeführt ist, möchte man in einem schicklichen Format in seinem Zimmer gerne neben sich sehen.

Verzeihen Sie diese Äußerungen, sie sind aber für den Zweck, den wir und vorsetzen, höchst bedeutend. Gewinne sind selten, und wenn sie Unlust erregen, ein doppelter Verlust.

Bey dem Verzeichniß der Skizzen von Otto Wagner bemerke ich: nehmen Sie doch ein Dutzend der präsentabelsten [158] dem Künstler für ein Billiges ab, Sie vermehren dadurch, um ein leidliches Geld, die Anzahl der Gewinne, und oft ist eine halbweg sorgfältige Zeichnung nach der Natur, geistreich ausgeführt, dem Liebhaber angenehmer als Ölbilder, die nicht immer anmuthen. Könnte man das Skizziren nach der Natur überhaupt dem Landschaftsmahler abgewöhnen, damit er gleich lernte, einen würdigen Gegenstand unmittelbar geschmackvoll in einen Rahmen zu beschränken, so wäre viel gewonnen. Das verstand Hackert; ich besitze selbst noch Umrisse nach der Natur, und das in groß Folio, die Ferne mit Bleystift, die Mitte mit zarter, der Vordergrund mit stärkerer Feder, alles meisterhaft, so daß die Haltung schon drinne liegt. Dergleichen war mit drey Tinten leicht herausgehoben, und dem Bilde Licht, Schatten und Haltung verliehen. Das war ein Kunstwerk, verkäuflich, dem Kenner höchst schätzbar, den Liebhabern angenehm. Wie haushältisch und klug Hackert hierin verfahren, verdiente aufgezeichnet zu werden, ob vielleicht irgend ein Nachfolger dadurch erbaut würde.

Ich fahre in demselbigen Capitel fort. Unsere Künstler skizziren jetzt nach der Natur mitunter sehr estimable Einzelnheiten, Gegenstände sowohl als Effecte, in Hoffnung sie dereinst, bey größern Compositionen, benutzen zu können, wovon ich aber in meinem Kreise wenig Frucht sehe. Wer Einzelnheiten mit glücklichem Naturell auffaßt, ist deswegen noch nicht fähig, ein [159] Ganzes zusammenzudenken und vollständig auszuführen.

So eben habe ich eine Landschaft vor mir, wovon der Mittelgrund ganz allerliebst ist, die Ferne fernt recht gut, ist aber charakterlos; dem Vordergrund fehlt durchaus der ländliche überschwängliche Reichthum; der Himmel ist wolkenleer!

Und hat denn wohl jemals ein deutscher Landschaftsmahler daran gedacht, die von Howard so klar bezeichneten Wolkenformen zu studiren und durch ein geniales Sondern und Zusammenschmelzen dem jedesmaligen Charakter der Landschaft gemäß Beyfall und Bewunderung zu erwerben?

Verzeihen Ew. Wohlgeboren, wenn ich in ruhiger Stunde gegen meinen Willen weitläufig werde. Ich weiß, schon seit dreyßig Jahren, daß die Künstler auf nichts Allgemeines hören und sich einbilden, das individuelle talent könne durchdringen; das geht aber nicht, und am Ende wollen sie noch gelobt und bezahlt seyn.

Da denn aber das Lebenlassen in den Künsten an der Tagesordnung ist, und man wohl thut, zu verloosen, was niemand kaufen würde, so wollen wir auf unserm Wege treulich fortfahren, und ich freue mich, daß Sie Ihre einsichtige Thätigkeit dem Vereine wieder schenken wollen.

Die übersendeten Probedrücke, wo Sie statt Umrisse ausführliche Blätter liefern, habe alsobald an [160] viele unserer Theilnehmenden zur Aufmunterung vorzeigen lassen, und die Anstalt kann sich von hier aus den besten Willen versprechen, da man überzeugt ist, es werde unter gleicher Leitung alles den gleichen Gang gehen. Über kleine Abweichungen rechts und links muß man nicht verdrießlich werden.

Da ich gern jedem Neuantretenden die bisherigen Kupferstichhefte als eine freundliche Eintrittsgabe einzuhändigen pflegte, so wollte ich Dieselben ersuchen, mir, insofern es möglich ist, von dem ersten Hefte noch zwey Exemplare zukommen zu lassen. Von dem zweyten hab ich viere, und so wär ich denn für die nächste Zeit versehen.

Vorgesagtes bitte zu betrachten, als wenn es mir geglückt hätte in Ew. Hochwohlgeboren Nähe einige Stunden zuzubringen; diese Angelegenheiten sind so weit aussehend, und es ist nöthig, auf mancherlei Weise sich davon zu unterhalten; denn oft stehen Kunstfreunde näher an einander als sie denken, wenn sie sich mißverstehen und bestreiten.

Hiemit auf das allerdringlichste mich empfehlend.

Hochachtungsvoll

gehorsamst

Weimar den 22. März 1831.

J. W. v. Goethe. [161]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Johann Gottlob von Quandt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B51-4