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An Carl Ludwig von Knebel

So lange habe ich dir nicht geschrieben daß ich nicht weis wiederhohl ich mich, oder übergeh' ich etwas. Du wirst durch andre mehr wissen. Daß Kalb weg ist, und daß auch diese Last auf mich fällt hast du gehört. Jeden Tag, ie tiefer ich in die Sachen eindringe seh ich wie nothwendig dieser Schritt war.

Als Geschäfftsmann hat er sich mittelmäsig, als politischer Mensch schlecht, und als Mensch abscheulich aufgeführt. und wenn du nun nimmst daß ich diese dreye wohl mit der Feder sondern kann, im Leben es aber nur ein und derselbe ist; so dencke dir. Doch du kannst dirs und brauchst dir's nicht zu dencken. Es ist vorüber.

Nun hab' ich von Johanni an zwey volle Jahre aufzuopfern, biss die Fäden nur so gesammelt sind daß ich mit Ehren bleiben oder abdancken kann. Ich sehe aber auch weder rechts noch lincks, und mein altes Motto wird immer wieder über eine neue Expeditions Stube geschrieben

Hic est aut nusquam quod quaerimus.

Dabey bin ich vergnügter als iemals denn nun hab ich nicht mehr, wenigstens in diesem Fache das Gute zu wünschen und halb zu thun und das Böse zu verabscheuen und ganz zu leiden. Was nun geschieht muß ich mir selbst zu schreiben, und es würckt [16] nichts dunckel durch den dritten und vierten, sondern hell gleich grade auf mich. Daß ich bisher so treu und fleisig im Stillen fortgearbeitet habe hilft mir unendlich, ich habe nun anschauliche Begriffe fast von allen nothwendigen Dingen und kleinen Verhältnissen und komme so leicht durch.

Du kannst dencken daß ich über diese Dinge mit niemanden spreche, und also bitt ich dich auch keinen Gebrauch hiervon, selbst zu meinem Vorteile zu machen. Die Menschen müssen verschieden über solche Vorfälle urtheilen und man muß thun was man muß.

Da nun meine Zeit so sehr genommen ist, wird es ein groses Glück daß unsere Herrschafften ein leichtes und leidliches Leben in und unter sich haben, daß man die wenigen Stunden des geselligen Lebens in Friede auch wohl in Freude zu bringt.

Für Tiefurt hab ich eine Operette gemacht, die sehr gut und glücklich aufgeführt worden. Da du das lokale so genau kennst, wirst du dir beym Lesen den schönen Effeckt dencken können. Die Zuschauer sasen in der Mooshütte wovon die Wand gegen das Wasser ausgehoben war. Der Kahn kam von unten herauf pp. Besonders war auf den Augenblick gerechnet wo in dem Chor die ganze Gegend von vielen Feuern er leuchtet und lebendig von Menschen wird.

Hierbey liegt eine Invitations Epistel an die Herdern.

Auch einige Epigramms.

[17] Das zweyte Buch von Wilhelm Meister erhälst du bald ich habe es mitten in dem Taumel geschrieben.

Lavaters Erscheinung in der Gegend von Franckfurt hat grose Bewegung gemacht. In Wilhelmsbad hätte ich ihn selbst sehen mögen. Lebe wohl und schreibe manchmal.

d. 27. Jul. 82.

G.


Wovon dir Tobler schrieb und was du wol nicht verstanden hast ist folgendes. Wie er das erstemal hier weggeht, schreibt er in einem Briefe an Lavatern, über uns alle Urtheile die mit unter nicht die günstigsten sind, und lässt unvorsichtig das Blatt in ein Paar Beinkleidern stecken die er dem Schneider zur Reparatur hinterläßt. Von da zirkulirt dieses Dokument im Publiko und macht leidige Sensationen. Doch ist alles getischt und vorbey. Ich hab ihm zur Warnung die Sache nicht verschwiegen u.s.w.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B6D-8