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An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

[30. Juli.]

Vorliegendes Blättchen No. 1 hatte ich schon vor Monaten an Ihre liebe Dame geschrieben; sie ist die Zeit hier gewesen und ich habe das Vergnügen gehabt mich mit ihr zu unterhalten; sie ist, wie ich höre, glücklich in Paris an- und niederkommen. Möge sie nun auch bald Ihren Herrn Bruder dort umarmen, der für uns gewissermaßen von den Todten wieder aufersteht. Ihr lieber Brief vom 25. Februar ist mir seiner Zeit auch richtig geworden und ich merke jetzt indem ich die lange Pause, worin ich nichts von mir hören lassen, überdenke, in welchen sonderbaren Bewegungen mir diese Zeit verstrichen.

Schillers Tell ist schon eine Weile fertig und gespielt, ein außerordentliches Product, worin seine dramatische Kunst neue Zweige treibt und das, mit Recht, eine große Sensation macht. Sie werden es auch bald erhalten; denn es wird schon daran gedruckt.

Ich habe mich zu einem Versuch verführen lassen meinen Götz von Berlichingen aufführbar zu machen. [171] Dieß war ein fast unmögliches Unternehmen, indem seine Grundrichtung antitheatralisch ist, auch habe ich, wie Penelope, nun ein Jahr immer dran gewoben und aufgedröselt, wobey ich viel gelernt, ich fürchte aber, zu dem vorliegenden Zweck, nicht alles geleistet habe. In ohngefähr sechs Wochen denke ich ihn zu geben und Schiller wird Ihnen wohl ein Wort darüber sagen.

Ist Ihnen denn unsere Jenaische Litteratur Zeitung von diesem Jahr zu Gesichte gekommen? und hat irgend etwas darin enthaltenes Ihr Interesse erregt?

Für die sehr angenehme Nachricht, die Sie mir von einer Improvisatrice geben, bin ich Ihnen sehr dankbar. Dürfte ich wohl davon in dem Intelligenz Blatt der Litteraturzeitung Gebrauch machen? Auf alle Weise würde ich das Gesagte dergestalt modificiren, wie das Verhältniß zum Publikum, das nicht alles zu wissen braucht, es mit sich bringt. Können Sie mir aus dem Schatz Ihrer Beobachtung manchmal etwas dergleichen mittheilen, so würden Sie uns eine große Freude machen.

Nach dem Tod von Jagemann ist Fernow bey der Herzogin Mutter Bibliothek angestellt und sein Verhältniß ist für ihr Haus, und die daselbst sich versammelnde Societät unschätzbar, er belebt die Liebe zur italienischen Litteratur und giebt zu geistreicher Lectüre und Gesprächen Anlaß.

[172] Überhaupt ist man in Weimar wie im Himmel, seitdem der Böttigerische Kobold weggebannt ist; auch geht es auf unserer Schule recht gut. Voßens ältester Sohn ist als Professor angestellt, der von seinem Vater diese gründliche Neigung zum Alterthum und besonders von der Sprachseite geerbt hat, worauf doch alles bey einem Schulmanne ankommt.

Riemer hält sich in meinem Hause auch recht gut und ich bin mit den Fortschritten meines Knaben, der freylich mehr Neigung zum Gegenstand als zum Ausdruck hat, ganz leidlich zufrieden.

Das Project der Frau von Stael einen Theil des Sommers hier zuzubringen ist durch den Tod ihres Vaters vereitelt worden. Sie hat Schlegeln von Berlin mitgenommen, sie sind zusammen in Coppet und werden wohl gegen den Winter nach Italien kommen. Ein solcher Besuch muß Ihnen, werther Freund, erfreulicher seyn als mancher andere.

Für die Mittheilung der übersetzten Pindarischen Ode danke zum schönsten, sie hat mir und Riemern eine sehr angenehme Stunde der Unterhaltung verschafft.

Beyliegendes Promemoria an Mercandetti haben Sie ja wohl die Güte bestellen zu lassen und den Mann etwa selbst über die Sache zu sprechen. Dann haben Sie ja wohl unter Ihren dienstbaren Geistern irgend jemand, der auf die Sache in der Folge ein Auge hätte. Ich möchte gern unserm alten Gönner [173] ein solches öffentliches Zeichen des Dankes gebracht wissen, das auch von Seiten der Kunst bedeutend wäre; aber freylich in so weiter Ferne etwas zu bestellen ist immer gewagt, deswegen ich Sie um freundliche Theilnahme bitte.

Vor allen Dingen kommt es darauf an, daß Mercandetti leidlich fordere. Für seinen Alfieri, den er anbietet, verlangt er drey Piaster, welcher so groß als sein Galvani werden soll. Wenn er nun für die Erzkanzlerische Medaille, welche bestellt wird und nicht größer seyn soll, etwas mehr fordert, so darf es doch nicht viel seyn, und wenn er verhältnißmäßig recht billig ist, so getraue ich mir ihm 200 Subscribenten zu verschaffen, und er macht sich, wie auch schon im Promemoria bemerkt ist, durch diese Medaille in Deutschland bekannter als durch irgend sonst eine Arbeit, woran ihm bey der Suite von berühmten Männern des vorigen Jahrhunderts, die er herausgeben will, viel gelegen seyn muß. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen zu Ihren vielen Geschäften auch noch diese Last mache; suchen Sie aber doch die Sache dergestalt einzuleiten, daß es nicht viel Hin und Herschreibens braucht und daß sich Mercandetti in einer Antwort auf das Promemoria annehmlich erklärt; die Briefe zaudern jetzt unerträglich, einer von Florenz hierher läuft zwanzig Tage und drüber.

Daß Sie an meiner natürlichen Tochter Vergnügen gehabt, gereicht mir zu großem Troste. Denn [174] wenn ich gegen meine abwesenden Freunde so lange stumm bin, so ist mein Wunsch durch das was ich im Stillen arbeite, mich endlich auf einmal wieder mit Ihnen in Verhältniß zu setzen. Leider bin ich von dieser Arbeit abgekommen und weiß nicht, wenn ich die Folge werde leisten können.

Haben Sie die zwanzig lyrischen Gedichte gesehen, die in einem Taschenbuche dieses Jahres von mir herausgekommen sind? Einiges befindet sich darunter das Ihnen nicht mißfällig seyn sollte. Vergelten Sie nicht gleiches mit gleichem und schreiben mir bald. Theilen Sie mir manche Bemerkungen über Länder, Nationen, Menschen und Sprachen mit, die so belehrend und auffordernd sind. Versäumen Sie nicht mir von Ihrer und der lieben Ihrigen Gesundheit etwas zu melden.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1804. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8BD7-9