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An Charlotte von Stein

d. 1. Oktbr. 81. Weimar.

Heute Nacht gegen zwölfe sind wir wieder angekommen. Fritz ist gar brav, es ist davon viel zu erzählen. Jetzt bin ich so zerstreut daß ich nichts ordentliches werde vorbringen können.

Steinen hab ich in Leipzig gesehen, er war vergnügt uns zu treffen.

Alles ist nach Wunsch gegangen. Ich komme beladen wieder zurück. Ein halbes Jahr in der Welt würde mich sehr weit führen. Ein Brief vom Herzog von Gotha lädt mich aufs verbindlichste ein, Grimm ist drüben und ich werde wohl übermorgen hingehn. Die Bekanntschafft mit diesem ami des philosophes et des grands macht gewiss Epoche bey mir, wie ich gestellt bin. Durch seine Augen wie ein schwedenborgischer Geist will ich ein gros Stück Land sehn. Einige sehr schöne Bekanndtschafften hab ich gemacht.

Fritzens Urtheil über die Menschen ist unglaublich richtig. Nur müssen wir suchen zu hindern daß ihn das Glück nicht übermüthig mache. Ich hab ihm [198] einige ruhige, sehr wahre Lecktionen gegeben, und er ist sehr geschmeidig.

Du hattest mir verboten dir nichts mitzubringen, schon ging ich betrübt unter manchen schönen Sachen, als mir das Glück einen geschnittnen Stein zuführte, davon ein Abdruck beyliegt, selten findet man unter Juwelier Waare ein so artig Steingen. Es stellt Psyche vor mit dem Schmetterling auf der Brust in gelbem Achat. Es ist als wenn ich dich immer meine Liebe Seele nennte. Auch hab ich dir ein Gedicht gemacht das du durch den Weeg des Tiefurter Journals sollst zu sehen kriegen.

In Leipzig hab ich das Offenbaare Geheimniss gesehen und mein Gewissen hat mich gewarnt.

Meine Liebste ich habe mich immer mit dir unterhalten und dir in deinem Knaben gutes und liebes erzeigt. Ich hab ihn gewärmt und weich gelegt, mich an ihm ergötzt und seiner Bildung nachgedacht.

Knebel hat mir eine Stunde verplaudert die dir gewiedmet war. Ich habe ihm die Quintessenz meiner Reise erzählt warum kan ich es nicht dir diesen Mittag.

Den Boten will ich erst morgen fortschicken, denn ich kan doch von dir keine Antwort haben eh ich nach Gotha gehe.

d. 2. Oktbr.

Schon heute Abend will ich fort auf Gotha und habe noch viel zu schaffen und zu kramen.

[199] Adieu Liebste. Hierbey kommt verschiednes von Fritzen. Grüse die Kleine und Carolingen. Jene soll haben was sie von mir in einem Billet verlangt. Dancke deinem Bruder für die Marmor. Tausendmal Adieu. Schreibe mir man schickt mir's nach. O. wie mögt ich zu dir.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8BE0-4