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An Carl Friedrich Zelter

Vor allen Dingen habe zu vermelden, daß ich einen ganz allerliebsten ausführlichen Brief von Felix, datirt Rom den 5. März, erhalten habe, welcher das reinste[168] Bild des vorzüglichen jungen Mannes darstellt. Seinen Eltern und Berliner Freunden wird er gewiß das Gleiche mit gleicher gemäßigten Freyheit melden. Für den ist nun weiter nicht zu sorgen, das schöne Schwimmwamms seines Talents wird ihn auch durch die Wogen und Brandungen der zu befürchtenden Barbarey hindurchführen.

Nun erinnerst du dich wohl, daß ich mich der kleinen Terz immer leidenschaftlich angenommen und mich geärgert habe, daß Ihr theoretischen Musikhansen sie nicht wolltet als ein donum naturae gelten lassen. Wahrhaftig eine Darm- und Drahtsaite steht nicht so hoch, daß ihr die Natur allein ausschließlich ihre Harmonien anvertrauen sollte. Da ist der Mensch mehr werth, und dem Menschen hat die Natur die kleine Terz verliehen, um das Unnennbare, Sehnsüchtige mit dem innigsten Behagen ausdrücken zu können; der Mensch gehört mit zur Natur, und er ist es, der die zartesten Bezüge der sämmtlichen elementaren Erscheinungen in sich aufzunehmen, zu regeln und zu modificiren weiß.

Brauchen doch Chemiker schon den thierischen Organismus als eine Reagens, und wir wollen uns an mechanisch bestimmbare Tonverhältnisse klammern, dagegen die edelste Gabe aus der Natur hinaus in die Region einer willkürlichen Künsteley hinüberschieben.

Dieß magst du verzeihen. Ich bin hierüber neuerlich aufgeregt worden und ich möchte dir vor allem Kenntniß geben, wo ich hartnäckig verharre und warum.

[169] Herrn Spiker wirst du auf's beste grüßen und danken, daß er mir jene Büchlein vor Augen bringen wollen, sie sollen treulich zurückgesendet werden.

Gegenwärtiges sende weg, ob mir gleich noch gar manches zu sagen übrig bleibt; du sollst aber wissen, daß ich an dich denke zur Stunde, wo du dich zu wackern Thaten vorbereitest; auch möchte ich der erste seyn, der dir zum ästhetischen und ökonomischen Gelingen Glück wünschte. Welches denn hiermit segnend geschehe!

Unverdrossen fortan!

Gründonnerstag den 3. März 1831.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8BF2-9