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An Carl Ludwig von Knebel

Auf deinen lieben Brief antworte ich sogleich um einigermassen die Schuld meines langen Stillschweigens zu bezahlen. Wohl habe ich zur rechten Zeit das Schächtelchen erhalten und mich über dessen Inhalt gefreut, ich bin aber diese Zeit so entfernt von aller[238] Schreibelust daß noch mehr gute Briefe unbeantwortet mir stille Vorwürfe machen.

Seit meiner Rückkehr aus Schlesien habe ich mich nach einer unruhigen Zeit in diesem letzten Vierteljahr wieder zusammengenommen. Dresden hat mir große Freude gemacht und meine Lust an Kunst zu dencken wieder belebt. Es ist ein unglaublicher Schatz aller Art an diesem schönen Orte.

Kaum war ich wieder zu Hause, als ich mir vornahm den Versuch über die Gestalt der Thiere zu schreiben, wozu mich besonders eine Sammlung Thierscelete welche ich in Dresden fand aufmunterte, ich habe auch ohngefähr drey Wochen daran gedacht und dicktirt, zuletzt aber wollte es mit dieser mehr als abstrackten Materie nicht fort und ich mußte sie zurücklegen. Indessen bin ich doch sehr vorgerückt und habe mir für das nächstemal viel vorgearbeitet.

Die Büchlein Elegien und Epigramme habe ich auch so ziemlich gefaltet und gelegt. Auch war ich nicht abgeneigt die ersten herauszugeben. Herder widerrieth mirs und ich habe blindlings gefolgt.

Durch Aufmunterung der Herzoginn Mutter habe ich, in diesen letzten Tagen, Wilhelm Meister wieder vorgenommen, vielleicht ruckt in diesem neuen Jahre auch dieses alte Werck seiner Vollendung näher.

Wir haben jetzt Becks von Manheim hier.Sie singt sehr brav, Er ist ein intressanter Ackteur, der denckt und sich Mühe giebt.

[239] Ich habe mich diesen Winter in den untern Zimmern eingerichtet. Es hat mir auch einige Zeit gekostet und ich bin noch nicht in Ordnung.

Die Sammlung Steine von der du schreibst, ist gewiß sehr interessant, ich erwarte die Schwefel zu denen du Hoffnung machst, wolltest du sie wenn sie fertig sind an mich addressiren, so geschähe mir ein Gefalle. Doch kann man aus Kupfern und Zeichnungen wenig und selbst aus Schwefeln nicht alles sehn, ein kleiner Umstand verändert sehr viel und setzt einen unglaublich herauf oder herab. Wenn ich die Schwefel gesehen habe will ich meine Gedancken sagen. Könntest du die Kupferplatten zugleich abdrucken lassen? es gehen 4 auf ein Quartblat, so käme man schon etwas weiter.

Der grüne Feldspat den du mir geschickt hast ist mir sehr angenehm, ich halte seitdem den schönen grünen Theil des Verde di Corsica auch für Feldspat und glaube auch in einem Steinchen das wir aus der Saale gezogen dergleichen zu sehen.

Die Hoffnung dich und deine Frl. Schwester die ich herzlich grüße, aufs Frühjahr zu sehen macht mir viel Freude.

Möge es Euch in der Nähe wohl werden können. Was du arbeitest wird mich gewiß aufmuntern. Ich bin wohl und zufrieden. Schreibe mir ja manchmal und wecke mich wenn ich schlummre.

d. 1. Jan. 91.

G. [240]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1791. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8C26-D