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An Christian Gottlob Voigt

Stäfa den 26. Sept. 1797.

Sie erhalten hierbey, werthester Freund, eine kurze Nachricht wie es mir seit Tübingen ergangen, welche ich Serenissimo mitzutheilen und mich auf das beste dabey zu empfehlen bitte.

Etwa übermorgen denke ich mit Prof. Meyer eine kleine Gebirgsreise anzutreten. Man kann sich nicht verwehren, wenn man so nahe ist, sich auch wieder unter diese ungeheuern Naturphänomene zu begeben. Die mineralogische und geognostische Liebhaberey ist auch erleichtert, seitdem so manche Schweizer sich mit diesem Studio abgegeben und durch ihre Reisen, die sie so leicht wiederholen können, den Fremden den [317] Vortheil verschafft haben sich leichter zu orientiren. Die Aufsätze eines Herrn Escher von Zürch haben mir eine geschwinde Übersicht gegeben dessen was ich auf meiner kleinen vorgenommenen Tour zu erwarten habe. Das neuste in diesem Fach ist ein biegsamer Stein, nach der Beschreibung jenem Danzischen ähnlich, wovon ich etwas mitzubringen hoffe.

Die öffentlichen Angelegenheiten sehen in diesem Lande wunderlich aus. Da ein Theil der ganzen Masse schon völlig demokratisch regiert wird, so haben die Unterthanen der mehr oder weniger aristokratischen Cantone, an ihren Nachbarn, schon ein Beyspiel dessen was jetzt der allgemeine Wunsch des Volks ist; an vielen Orten herrscht Unzufriedenheit, die sich hie und da in kleinen Unruhen zeigt. Über alles dies kommt in dem gegenwärtigen Augenblicke noch eine Sorge und Furcht vor den Franzosen. Man will behaupten, daß mehrere Schweizer bey der letzten Unternehmung gegen die Republik Partei gemacht und sich mit in der sogenannten Verschwörung befunden haben, und man erwartet nunmehr daß die Franzosen sich deshalb an die Einzelnen, vielleicht gar an's Ganze halten möchten. Die Lage ist äußerst gefährlich und es übersieht niemand was draus entstehen kann.

Bey diesen selbst für die ruhige Schweiz so wunderbaren Aussichten werde ich um desto eher meinen Rückweg baldmöglichst antreten um, geschwinder als ich hergegangen bin, wieder in jene Gegenden zurückzukehren, [318] wo ich mir eine ruhigere Zeit unter geprüften Freunden versprechen kann.

Wie mir Schiller schreibt so ist mein Kleiner wieder auf recht guten Wegen, directe Nachricht habe ich nicht erhalten, die Briefe aus meinem Hause müssen irgendwo stocken.

Wenn Sie mir nach Empfang dieses Briefes so gleich schreiben, so haben Sie die Güte den Brief unmittelbar nach Zürch, mit dem bloßen Beysatz bey Herrn Rittmeister Ott zum Schwerdt zu addressiren. Ich kann rechnen, daß gegenwärtiges acht Tage läuft, daß eine Antwort ohngefähr eben so lange gehen kann, und ich werde ohngefähr in der Hälfte Octobers von meiner Bergreise in Zürch anlangen.

Leben Sie recht wohl, mit den Ihrigen. Wenn ich im Geiste nach Weimar zurückkehre, so ist einer meiner gewöhnlichsten Wege Sie in Ihrer Wohnung aufzusuchen. Nochmals ein Lebewohl.

G.


So eben erhalte ich Ihr werthes Schreiben vom 11. Sept. und werde Ihnen dadurch abermals so wie in der Gegenwart als auch in der Abwesenheit unendlich viel schuldig. Daß ich den Kleinen wieder gesund und froh bey Ihnen denken kann, wie Sie die Güte haben seine Reiseerinnerungen rege zu machen und ihm so zu einer weitern Ausbildung zu verhelfen, ist mir unschätzbar, und diese Vorstellung wird mich auf meiner kleinen Reise in die rauhen Gebirge begleiten.

Schon in Frankfurt schrieb ich auf einen erhaltenen Brief von Böckmann, ein Blatt, wodurch ich Sie bat das bewußte Kästchen der Überbringerinn, [319] welches Fräulein Staff seyn würde, zu übergeben und wodurch ich zugleich jenen bey mir zu Hause aufgehobnen Ar chivschein amortisire, und vergaß so oft ich an Sie schrieb davon den schuldigen Avis zu geben. Ich danke daß Sie mir ein Wort davon sagen. Wahrscheinlich ist dieses Depositum nun schon in Carlsruhe glücklich angelangt. Serenissimo bezeigen Sie mein Beyleid und zugleich meinen Glückwunsch daß der Unfall noch in Grenzen geblieben. Viel Glück zu allen Unternehmungen und Geduld mit dem Bergbau als dem ungezogensten Kinde in der Geschäftsfamilie.

Nachschrift.

Graf Burgstall, dessen Sie sich vielleicht und seiner Verhältnisse zu Reinhold und Wieland erinnern, hat mich heute hier unvermuthet besucht, er geht aus England durch Frankreich über die Schweiz nach Wien. Haben Sie Gelegenheit Wielanden von ihm auf's beste zu grüßen, so thun Sie es ja, er gedenkt unseres lieben alten Herrn und Freundes mit warmer Neigung.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1797. An Christian Gottlob Voigt Nachschrift.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8C3D-C