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An den Großherzog Carl Friedrich

[11. October 1830.]

Durchlauchtigster Großherzog
gnädigster regierender Landesfürst und Herr!

Der als Custos des in den Sälen des großen Jägerhauses eingerichteten Kupferstich- und Zeichnungskabinetts angestellte Registrator Christian Schuchardt hat, von Gründung dieser Anstalt an, seit dem Jahre 1824 sich bei derselben eifrig bemüht und ist auch von uns zu Secretariats- Arbeiten zugezogen worden.

[71] Nun hat er schon seit einigen Jahren wiederholte Male um Verbesserung seiner Lage und Erhöhung einer geringen in 200 Thalern bestehenden Besoldung dringend gebeten. Wir würden auch der Billigkeit gemäß schon vorlängst Ew. Königlichen Hoheit deshalb günstigen Vortrag gethan haben, wenn wir uns nicht vorher hätten zu überzeugen gehabt daß eine, an andern Capiteln erreichte Ersparniß, uns die Sicherheit gebe: durch diese neue Verwilligung werde der Etat nicht überschritten und die Reservekasse keineswegs geschmälert.

Da jedoch das gedachtem Schuchardt übertragene Geschäft völlig neu, die Vorsteher desselben obliegende Beschäftigung ganz eigen und im Geschäftskreise einzig sind, so haben wir für nöthig erachtet, in einem kurzem Aufsatz, die eigentlichen Umstände sowohl für jetzt als zu künftiger Norm ausführlich darzulegen. Weshalb wir denn der Beylage gnädigste Aufmerksamkeit zu schenken die submisse Bitte uns wohl erlauben dürfen.

In Gefolg dieses umständlichen Vortrags getrauen wir uns denn den Wunsch auszusprechen: Ew. Königlichen Hoheit möge es gefallen zu seiner bisher genossenen Besoldung von 200 Thalern gedachtem Schuchardt von Michael an eine Zulage von 200 Thalern anderweit gnädigst zu gewähren, so daß er, mit Beybehaltung seiner in freiem Logis und 2 Klaftern Holz bestehenden Emolumente, den Subjecten seiner Classe billigermaßen [72] gleichgestellt, für die seiner Bildung gewidmete Aufopferungen entschädigt und in seiner Lage gegründet werde. Welches für uns wünschenswerther ist als sein Geschäft auf eine frohe, anhaltende, aufmerksame Thätigkeit und guten Willen hauptsächlich Anspruch macht und hierauf von seinen Vorgesetzten vorzüglich zu rechnen und zu wünschen ist daß er nicht um Nebendienst sich zu bemühen genöthigt von seinem Hauptzweck abgeleitet werde.

Die wir in tiefster Ehrfurcht verharren als

Ew. Königlichen Hoheit

unterthänigst treugehorsamste

Ober-Aufsicht der unmittelbaren Anstalten

für Wissenschaft und Kunst.

J. W. v. Goethe.


[Beilage.]

Geneigtest

zu gedenken.

Christian Schuchardt geboren 1799, zu Buttstedt, bezog, als er hier seine Schulstudien vollendet hatte, die Akademie Jena und befleißigte sich daselbst mit Eifer der Rechte. Im Jahr 1824, nach gut bestandenen Examen, ward er bey großherzoglicher Regierung allhier als Accessist zugelassen, kaum hatte er ein halbes Jahr zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten gearbeitet als bey großherzoglicher Ober-Aufsicht die Frage entstand: wen man zum Custoden bey den ansehnlichen [73] Kupfer- und Zeichnungssammlungen, die von großherzoglicher Bibliothek in die Säle des Jägerhauses gebracht worden, sogleich anstellen könnte?

Herr Hofrath Meyer, welchem Schuchardt, als ein ehemaliger Schüler bey der hiesigen Freyen Zeichen-Anstalt, bekannt war, nicht weniger daß derselbe in Jena Zeichenstunde gegeben und sich dadurch einigen Zuschuß wie auch die Zufriedenheit dortiger angesehner Familien erworben hatte, schlug denselben dazu vor, welche er zuerst, mit der geringen Besoldung von 200 Thalern annahm, in Hoffnung einiges Nebenverdienstes, nach der ihm gegebenen und von großherzoglicher Regierung bestätigten Zusicherung, daß ihm der Rücktritt zum Instizfach mit Vorbehalt Stellung frey bleibe. Wie er dann auch in Bezug auf jene Verhältnisse künftig bedacht werden solle.

Seit jener Zeit sind beynache 6 Jahre vorübergegangen und sind manche Beförderungen bey großherzoglicher Regierung vorgekommen, so daß Jüngere, nach ihm examinirt und Angestellte, wohl auf das Doppelte seines Gehaltes geschätzt werden können.

Um nun von seinen Beschäftigungen ausführlicher zu sprechen; so versieht derselbe, neben den Secretariats-Arbeiten, die Custode des großherzoglichen Kupferstichs- und Handzeichnungs-Kabinetts. Hievon ist aber Folgendes zu sagen.

Diese Sammlungen waren früher auf großherzoglicher Bibliothek und weil kein Raum zu einer geregelten [74] Aufstellung war, ohne entschiedene Ordnung verwahrt gewesen; diese aber nach der Translocation in's Jägerhaus zu bewirken fühlte Schuchardt [sich] nicht sogleich im Stande, da derselbige sich erst von einem solchem Geschäft einen Begriff machen und eine Übersicht des Ganzen gewinnen mußte.

Hiezu hat er sich nach und nach dergestalt gebildet, daß er das Vorhandene, nach einem von großherzoglicher Oberaufsicht gebilligtem Plane, nach und nach ordnen konnte.

Zuvörderst ward über einige Tausend Handzeichnungen ein vollständiges Verzeichnen gefertigt, dieselben numerirt und überhaupt so hergestellt, daß jedermann jedes einzelne Blatt zu finden Stand gesetzt ist.

Jedem Meister hat er eine kurze Biographie und Charakteristik desselben vorgesetzt, Auszüge aus gedruckten Werken, unter Leitung des Herrn Hofrath Meyer, gefertigt.

Auf gleiche Weise ist er mit den Kupferstichen verfahren, deren Anzahl bey weitem größer und wovon das Verzeichniß fast noch schwieriger ist, wegen der Unzahl von sogenannten Monogrammen, wegen Unterscheiden der Originale von den Copien.

Hier ist er mit etwa zwey Drittel zu Ende, ungerechnet das Einrangiren des bedeutenden Zuwachses, der sich während seiner Verwaltung auf 854 Kupferstiche, beynache eben so viel Handzeichnung und auf 65 Kupferhefte beläuft.

[75] Erforderlichen Falls hat er die Blätter, ohne Beyhülfe, auf frische Übersetzbogen gezogen und überhaupt keine Mühe gescheut für Erhaltung und angenehmes Aussehen der Exemplare zu sorgen. Eine bedeutende Menge in Fetzen sich vorfindender Sachen hat er durch wochenlanges Bleichen und Waschen, mit unsäglicher Mühe hergestellt. So gibt es eine Menge immer wiederkehrender oft unangenehmer Arbeiten.

Daneben hat er unverdrossen jede andere Arbeit übernommen: er hat ein halb Jahr, bey Abwesenheit zweyer Lehrer, die Zeichenstunden gehalten, ist bey Ausstellungen, Besuch des Museums, das er dreymal wesentlich umgeordnet, überall, auf Befehl und freywillig, zur Hand gewesen.

Um aber überhaupt diese Geschäfte verrichten zu können hat er sich durch unaufhörliches Lesen und Arbeiten die Kenntnisse nebenbei erwerben müssen, die man außerdem in einem weiten Kreise durch praktische Übung sich bequem erwirkt. Zu seiner ferner Bildung hat er zweymal eine Reise nach Dresden unternommen, zwar mit einiger Unterstützung, doch größtentheils auf eigne Kosten. Er hat, durch kostspieligen Privatunterricht, sich die vollständigere unerläßliche Kenntniß der franzosischen Sprache zu erwerben gesucht, und so nichts für sein Geschäft verabsäumt.

Bey'm Fortbestehen dieser Sammlungen wird es aber auch in Zukunft nie an Beschäftigung fehlen, wenn derselbe auch in einigen Jahren mit Instandsetzung [76] des Ganzen fertig werden sollte. Denn, abgerechnet, daß das Einrangiren, Aufziehen, Verzeichnen des Zuwachses an und für sich Beschäftigung gibt, daß das Besuchen von Fremden und Einheimischen, Ausgeben und dergleichen viel Zeit wegnimmt; so verursacht auch oft ein zu großer Zuwachs in einer einzelnen Abtheilung ein Weiterrücken des Ganzen. Ferner wird zur vollständigen Sammlung ein zweyter Catalog deshalb nöthig, weil jedes doppelter Beziehung, als Kupferstich und als Abbild eines Kunstproductes vorkömmt und von sehr wenigen nur doppelte Exemplare vorhanden sind. Die Anfertigung eines solchen zweyten Verzeichnisses würde aber auch einige Jahre beschäftigen.

[77]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An den Großherzog Carl Friedrich. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8C46-5