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An Johanna Fahlmer

Ihr Stillschweigen liebe Tante wissen wir ohngefähr zu brechen, da wir uns wohl eher gleicher Sünden schuldig gemacht haben. Sünde bleibts aber immer und soll Ihnen in Rücksicht künftiger Besserung verziehen werden. Ich hoffe die Ankunft des neuen Mädgens zu vernehmen, es nimmt sich Zeit wie ich merke.

Das merkwürdigste das ich Ihnen melden kann, ist Schlossers Ankunft. Das iunge Paar ist schon aufgeboten, wird in 14 Tagen Hochzeit machen und dann gleich nach Carlsruh gehen. Meine Schwester Braut grüßt Sie. Sie ist ietzt im Packen ganz und ich sehe einer fatalen Einsamkeit entgegen. Sie wissen was ich an meiner Schwester hatte – doch was thuts, ein rechter Kerl muß sich an alles gewöhnen. Die Zeit sind einige sehr brave Menschen aus der Weiten Welt, besonders einer, zu mir kommen die mir viel gute Tage gemacht haben. Um unsern kleinen Zirkel siehts etwas scheu aus. Meine schwester macht einen großen Riss, und ich – Betty versteht mich. Ich möchts wohl einmal so weit bringen mit Ihnen einen Ritt vom Gallenthor durch die Terminey bis zum Allerheiligen zu thun. Indeß will den Winter meiner Schlittschue mich freuen.

Daß Sie Jungen lieben müßten, sagte ich Ihnen[110] zum Voraus, nur wollt ich dass Sie auch Leute lieben könnten die nicht sind wie er.

Grüßen Sie mir die liebe Frau hundertmal. Lotte wird meinen Brief haben.

Mit meiner Autorschaft stehts windig. Gearbeitet hab ich, aber nichts zu Stande gebracht. Den Jahrmarkt sollen Sie haben, aufs Wort ihn nicht aus der Hand zu geben, noch – Ich brauche keine Conditionen mit Ihnen. Der Musenalmanach von Göttingen ist recht sehr gut dies Jahr. Sie werden viel wahres und warmes finden. Auch einige Dinge wo nicht von mir, doch die ich Ihnen gelesen habe.

Was Sie vom Merkur schreiben scheint mich auf ein ungünstigen Urtheil vorbereiten zu wollen. Hat nichts zu sagen, ich bin dergleichen gewohnt. Mir kommts darauf an ob der Rezensent ein rechter Kerl ist, er mag mich loben oder tadeln, und was ich von ihm halte will ich Ihnen wohl sagen. Noch haben wir Ihn nicht. Sie kennen die geflügelte Expedition des Götterboten.

Ein schöner neuer Plan hat sich in meiner Seele aufgewickelt zu einem grosen Drama. Ich will nur erst zusehen, ob ich aus dem Lob und Tadel des Publikums was lernen kann.

Und mein gewonnen Drama, und Wielands Ausspruch. Daß nicht der so lange hangt als in Wezlar ein Spruch. Ich hab gewonnen liebe Tante, ohne Umstände gewonnen ergeben Sie Sich nur eh Sie [111] durch Urteil und Exekution angehalten werden. Lesen Sie die Stellen aber und abermal und verdancken Sie Ihre Sinnesänderung wenigstens Ihren eignen Augen.

Adieu liebe Tante, und lassen Sie uns manchmal ein sichtbares Zeichen Ihrer Erinnerungen sehen. Sie wissen wir sind sinnliche Menschen. Franckfurt am 18. O. 1773.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1773. An Johanna Fahlmer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8C9E-3