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An Philipp Christoph Kayser

Weimar den 28ten Febr. 1786.

Wenn wir uns noch eine Zeitlang wechselsweise erklären, so werden wir uns gewiß verstehen und [184] vereinigen. Wir sind die Meinungen eines Künstlers, der das mechanische seiner Kunst verstehet immer höchst wichtig, und ich setze sie über alles. Es komt nicht darauf an, was man mit dem einmal gegebenen Organe machen will, sondern was man machen kan.

Sie werden in der Folge sehen in wie fern Sie mich bekehrt haben, und ie mehr wir zusammen arbeiten, ie übereinstimmender werden wir würcken.

Lassen Sie uns iezt vor allen Dingen die erste Oper endigen, Sie sollen alsdenn einige Stücke, und eine Übersicht von der zweyten erhalten, und auch nach Belieben sogleich daran anfangen. Sodann bin ich bereit auch zu einer ernsthaften Oper zu helfen, über deren Manier wir uns zum voraus vergleichen müßen. Wir werden am besten thun dem Fußpfad des Metastas zu folgen, ein erhabenes rührendes Sujet zu wählen, nicht über sechs Personen zu steigen, weder allzugroße Pracht noch Dekorationen zu verlangen, für Chöre zu sorgen, und so weiter. Das alles wird sich finden wenn wir der Sache näher kommen, und uns durch die Opera Buffa erst mit und an einander gebildet haben.

Für unser gegenwärtiges Werck laßen Sie sich nicht bange seyn, es wird sich schon forthelfen, es werden sich Entreprenneurs und Akteurs finden, um die Aufführung möglich zu machen. Haben sie doch ietzo in Mannheim den Götz von Berlichingen wieder [185] hervorgesucht, nachdem man ihn zehn Jahr als einen allzuschweren Stein hatte liegen laßen.

Der Anfang des dritten Akts ist endlich auch angekommen. Ich bin höchst neugierig ihn zu hören, ich habe ihn mir noch nicht einmal können am Clavier vortragen laßen. Daß Sie die höchste Raserei unserer Heldin in den Kahn gestellet, und die Überfarth über den Cozith gleichsam mit stürmender Hand geschehen laßen, dagegen die Arie wo sie den Mißethäter vor Plutos Trohn schlept, auf einen flehenden Vortrag angelegt, und also dadurch den Gang des Dichters umgekehrt haben, mögen Sie verantworten, oder vielmehr wird Ihre Ausführung rechtfertigen. Was Sie übrigens in dem der Partitur beigelegten Blatte empfehlen, will ich bestens besorgen, und Ihnen zur Zeit von allem bestimmte Nachricht geben.

Zu der Pantomime nach der Arie, in eurem finstern Hause, hätte ich folgendes zu erinnern und zu rathen.

Scapine fällt ohnmächtig in den Seßel, der Docktor bleibt ihr zu Füßen liegen, endlich springt er auf, ist ängstlich, sie scheint sich zu erholen, er stehet ihr bei, läuft hin und wieder, bringt ihr zu riechen, sie fällt wieder in Gebährden des Schmertzens, und stößt von Zeit zu Zeit Seufzer und ängstliche Laute aus.

So wünschte ich daß Sie die gedachte Stelle, in dem geschriebenen Exemplar der Oper erst korrigirten.

Dieses stumme Spiel kan wenn es nöthig ist [186] wiederholt werden, und solten Sie es nicht in verschiedenen Theilen mit Reprisen setzen können? wie es bei Balleten geschiehet, so daß es alsdenn von dem Akteur und der Aktrice abhienge, ob sie die Pantomime verlängern oder abkürtzen wollen.

Zulezt wo sie in die Töne des Schmertzens ausbricht, kan ia der Doktor mit dem folgenden Gesang einfallen, und es dadurch zu einer Art von Duett werden.

Skapin läßt sich dann von außen hören, sie klagt und iammert auch noch wenn dieser hereintritt, und ich dencke es soll keinen übeln Effeckt thun, wenn Sie die Interiektionen, ach! weh! weh mir! o Schmertz! u.s.w. in den übrigen Gesang gleichsam hineinsäen.

Ich schicke Ihnen hier eine Arie des vierten Akts, wie ich sie verändert habe. Vieleicht finden Sie solche iezt rithmischer, und ich hätte große Lust einige andere auch auf diese Weise zu behandeln, und sie dadurch Ihrem Wunsche näher zu bringen. Hätten Sie überhaupt noch etwas über den vierten Akt zu sagen, so wär es noch Zeit.

Still ist es, stille
Stille so stille
Regt sich doch kein Mäusgen!
Rührt sich doch kein Lüfftgen!
Nichts, Nichts.
Regt sich doch und rühret sich doch nichts.
War es der Donner pp.

[187] Ich habe diesen Brief dicktirt weil ich nicht wohl bin und keine Lust zu schreiben habe, und Sie doch nicht lange wollte warten lassen.

Ihr Vater hat das Geld. Sie wohl auch. Leben Sie wohl, lieben Sie mich und arbeiten fleisig fort.

Weimar d. 1. März 1786.

G.


Grüsen Sie Frau Schulthes.

Noch eins, wie steht es mit dem Italienischen? Üben Sie Sich fleisig in dieser einzigen Sprache des Musikers.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786. An Philipp Christoph Kayser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8CCB-E