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An Friedrich Heinrich von der Hagen

Hochwohlgeborner,
Insonders hochgeehrtester Herr,

Ew. Hochwohlgebornen lassen mir Gerechtigkeit widerfahren, wenn Sie überzeugt sind, daß ich nicht aufhöre Theil an den Arbeiten zu nehmen, denen Sie mich mit so viel Einsicht und Fleiß gewidmet haben; und ich finde mich besonders geehrt durch die öffentliche Versicherung dieser Ihrer Überzeugung, so wie ich die mir geschenkte Neigung dankbar erwiedre.

Ich gehöre gewiß zu denjenigen, welche das Verdienst Ihrer Bemühungen erkennen. Denn diese schätzbaren Reste des Alterthums hätten viel früher auf mancherley Weise einen günstigen Einfluß auf mich ausgeübt, hätten sie mich nicht durch ihre rauhe Schale abgeschreckt, welche zu durchbrechen weder mein Naturell noch meine Lebensweise geeignet war. Es muß mir daher höchst erwünscht seyn, jene bedeutenden Werke sowohl in einer Reihe als ihrem innern Verdienst nach kennen zu lernen, da sie mir früher nur einzeln und zerstreut und gewissermaßen blos nach ihrem allgemeinen Inhalt bekannt waren. Daher ich denn, was mich betrifft, der Behandlungsweise, wo durch Sie uns diese Gedichte näher bringen, meinen völligen Beyfall gebe, um so mehr, als das Rohe und Ungeschlachte, was sich an ihnen findet, zwar dem[161] Character iener Zeit angemessen, auch bey der historischen Würdigung wohl nothwendig zu beachten, keinesweges aber zur wahren Schätzung nöthig und dem Genuß durchaus hinderlich ist.

Ich wünsche daher nichts mehr, als zu vernehmen, daß Ew. Hochwohlgebornen und diejenigen, welche sich diesen und ähnlichen Studien ergeben haben, sowohl aus eigener Neigung, als aufmuntert durch die Theilnahme des Publicums, fröhlich darin fortfahren. Der ich die Ehre habe mit besonderer Hochachtung mich unterzeichnen

Ew. Hochwohlgeb.

Weimar

ganz gehorsamster Diener

den 11. September

J. W. v. Goethe.

1811.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Friedrich Heinrich von der Hagen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8CDD-4