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An Christian Gottlob Frege
Wohlgeborner
insonders hochgeehrtester Herr!
Je seltner es ist daß man ein gutes und, sowohl wegen des Gegenstandes, als der Arbeit, merkwürdiges altes Kunstwerk in Deutschland findet, desto größer war das Vergnügen das Ew. Wohlgeb. mir, durch die gefällige Übersendung der hierbey zurückkehrenden Statue, verschafften. Sie hat bisher, zu nicht geringer Erbauung aller ächt Kunstgläubigen, in der Gesellschaft meiner kleinen Hausgötter gestanden und darinn, wie beyliegender Aufsatz ausweist, einen der ersten Plätze eingenommen.
Mein lebhafter Dank begleitet nunmehr dieses kleine Bild wieder zu seinem würdigen Besitzer zurück, dem ich noch vor kurzem so manche angenehme und[85] lehrreiche Unterhaltung verdanke. Möchte dieser Brief doch Ew. Wohlgeb. bey recht guter Gesundheit antreffen!
Unser gnädigster Fürst befindet sich gegenwärtig in Eisenach und wie ich höre recht wohl. Er trug mir schon früher auf, Ihren freundlichen Gruß aufs beste zu erwiedern.
Nicht ohne die größte Zufriedenheit bemerke ich wenn Männer, welche die Welt kennen und Verdienste zu schätzen wissen, mit lebhafter Achtung von unsern Fürsten sprechen; da wir, die wir ihm so viel schuldig und ihm von Herzen ergeben sind, uns selbst geehrt fühlen, wenn auch Auswärtige unsren Enthusiasmus für einen so seltnen Mann mit Überzeugung theilen.
Der ich recht wohl zu leben wünsche, mich zu freundschaftlichem Andenken empfehle und mit besonderer Hochachtung unterzeichne
Ew. Wohlgeb.
gehorsamsten Diener
J. W. v. Goethe.
[Beilage.]
Die kleine Herme, von orientalischem Alabaster, mit Kopf und Füßen von Bronze, ist in Hinsicht auf die Kunst der Arbeit ein ungemein schätzbares Werk, sie ist es nicht weniger wenn man die Seltenheit der Vorstellung betrachtet.
[86] Es leidet keinen Zweifel daß es eine Juno sey. Das Diadem, die ernsten großen Züge des Gesichts, das hehre, königliche in Gestalt und Haltung der ganzen Figur, würden nicht leicht zu einer andern Benennung passen.
Offenbar hatte der Künstler die Absicht in diesem seinem Werk die Egyptischen Figuren nachzuahmen, und die Drapperie, die er so zierlich umgeworfen, der untere Theil der als Herme gestaltet ist, sind blos als geschickte Wendungen anzusehen, die er genommen um jenes Steife und Gerade welches in der Stellung der egyptischen Figuren herrschend ist, mit den Forderungen des guten Geschmacks zu vereinigen und man muß gestehen daß er diese schwere Aufgabe glücklich zu lösen gewußt hat.
Eben der Umstand daß die Stellung und Haltung egyptischer Figuren in diesem Werk nachgeahmt ist, hilft mit Wahrscheinlichkeit die Zeit bestimmen wenn dasselbe verfertigt worden. Die Zeit der Ptolomäer und des Hadrians haben allein dergleichen geliefert; nun deutet aber der Geschmack des Ganzen, hauptsächlich aber die Anlage der Falten des Gewandes, auf jene frühere Zeit. Hingegen ist keine Ähnlichkeit mit Werken, die unter Hadrian gemacht worden, zu bemerken.
Der Kopf, welcher mit ungemeiner Kunst und eben so vielem Fleiße gearbeitet ist, gehörte, ob er schon im Verhältniß zur Figur etwas zu klein seyn [87] möchte, doch aller Wahrscheinlichkeit nach ursprünglich zu derselben. Es ist ein großer göttlicher Charakter in demselben und es möchten in den Sammlungen wohl nicht viel Bronzen zu finden seyn, die ihn in dieser Hinsicht übertreffen. Das Drahtartige in der Arbeit der Haare und das Erhabene in den Zügen des Gesichts scheinen eigentlich eine frühere Zeit anzukündigen, als vorhin dem Sturz von Alabaster zugestanden worden; allein es kann wohl seyn daß er Nachahmung eines berühmten Originals von hohem Style ist.
Obschon nur Ein Fuß übrig ist; so scheint doch auch dieser nicht antik zu seyn.
Über der rechten Schulter ist etwas vom Gewand abgebrochen gewesen, die Stelle ist wieder glatt gearbeitet und erscheint daher zu niedrig.
Am linken Vorderarm hat entweder schon anfänglich der Stein nicht ausgereicht, oder, welches wahrscheinlicher ist, auch diese Stelle war etwas beschädigt und die Beschädigung ist ausgeglättet worden.