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An Friedrich Schiller

Herr Regierungsrath Voigt hat mich diesen Nachmittag besucht und mich abgehalten Ihnen zu schreiben, dagegen habe ich ihn gebeten Sie bald zu sehen und Sie vom glücklichen Fortgang unserer litterarischen Unternehmung zu unterrichten. Hätten Sie nicht für jetzt das bessere Theil erwählt; so würde ich Sie bitten uns bald ein Zeichen Ihrer Beystimmung zu geben.

Für mich ist dieses Wesen eine neue sonderbare Schule, die denn auch gut seyn mag, weil man mit den Jahren doch immer weniger productiv wird und also sich wohl um die Zustände der andern etwas genauer erkundigen kann.

Mich beschäftigt jetzt das Programm, das in zwey Theile zerfällt, in die Beurtheilung des Ausgestellten und in die Belebung der Polygnotischen Reste. Jenen ersten Theil hat Meyer zwar sehr schön vorgearbeitet, indem er alles zu Beherzigende trefflich bedacht und ausgedruckt hat; doch muß ich noch einige Stellen ganz umschreiben und das ist eine schwere Aufgabe.

[369] Für die Polygnotischen Reste ist auch gethan was ich konnte; doch alles zuletzt zusammen zu schreiben und zu redigiren, nimmt noch einige Morgen weg; indessen führt diese Arbeit in sehr schöne Regionen und muß künftig unserm Institut eine ganz neue Wendung geben. Nun kommt auch noch der Druck dazu, so daß ich das ganze Geschäft unter vierzehen Tagen nicht los werde. Das Programm wird dießmal ohngefähr vier Bogen.

Voß habe ich erst einmal gesehen, da ich wegen der Nässe mich kaum bis in die Bachgasse getraue. Er hat nun Burkhardt Waldis an die Reihe genommen, um dessen Worte und Redensarten ins Wörterbuch zu notiren. Ich muß mich erst wieder zu ihm und seinem Kreise gewöhnen und meine Ungeduld an seiner Sanftmuth bezähmen lernen. Dürfte ich an was Poetisches denken, so läse ich mit ihm wie sonst; denn da ist man gleich in der Mitte des Interesses.

Knebel hat sich bey Hellfeld, in Ihrer ehemaligen Nachbarschaft, am Neuthor, eingemiethet, weit genug von Voßen um von dessen Rigorismus nicht incommodirt zu werden. Dafür wird er auch unserm Prosodiker das Wasser nicht trübe machen; denn dieser wohnt am Einfluß, er aber am Ausfluß des Baches.

Ihren Vorschlag Fernow und Hegel zusammen zu bringen habe ich ins Werk zu setzen schon angefangen. Übrigens giebt es morgen Abend bey mir einen Thee, [370] bey dem sich die heterogensten Elemente zusammenfinden werden.

Der arme Vermehren ist gestorben. Wahrscheinlich lebte er noch wenn er fortfuhr mittelmäßige Verse zu machen. Die Postexpedition ist ihm tödlich geworden, und somit für heute ein freundliches Lebewohl.

Jena am 2. Dec. 1803.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D0C-1