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An Charlotte von Stein

Neapel d. 25. [-?] May 87.

Deine lieben Briefe 15. 16. 17. 18. 19. habe ich gestern alle auf einmal von Rom durch den Graf [215] Fries erhalten und mir mit Lesen und Wiederlesen etwas rechts zu Gute gethan, das sehnlich erwartete Schächtelchen war dabey und ich dancke dir tausendmal für alles. Dancke Steinen für das Etui. Der Beutel ist mir sehr lieb und werth, wie jedes Zeugniß deiner bleibenden Liebe. Nun sollt ich dir auch von meiner Reise auf Pest, von Neapel und was alles vorkommt schreiben und Rechenschaft geben, es ist aber beynahe unmöglich, denn der Strom der Menge und die Zerstreuung reißt auch den Gesetztesten mit fort, besonders wenn man sich nicht einrichten kann und das Lokanden Leben dazu kommt. Euch hab ich angefangen Bekanntschaften zu machen und das nimmt gleich wieder Zeit und Gedancken weg. Den Herzog und die Herzoginn d'Vrsel von Brüssel, den dänischen Gesandten pp Hamilton und seine Schöne habe ich auch wiedergesehen. Wenn man diese Stadt nur in sich selbst und recht im Detail ansieht und die nicht mit einem nordisch moralischen Policey Maasstab an sieht; so ist es ein großer herrlicher Anblick und du weißt daß dieses eben meine Manier ist. Wenn ich mich hier aufhielte wollte ich ein Tableau de Naples geben dessen man sich freuen sollte, es ist eben eine Stadt die man übersehen kann und doch so unendlich manigfaltig und so lebendig. Es müßte aber zugleich ein es wohlüberdachtes gründliches Werck werden.

Ich erlebe noch hier des Königs Geburtstag dann geh ich auf Rom. Du antwortest mir auf diesen Brief[216] nicht mehr dahin, denn gleich nach St. Peter will ich fort, das heißt Anfangs Juli, und so bin ich Ende August bequem in Franckfurt. Nun sehne ich mich recht herzlich nach Hause und will das was mir auf dem Wege liegt noch mit Stille und Bescheidenheit mitnehmen. Find ich Ruhe die ich mir wünsche, so sollt ihr sehen was ich gewonnen habe.

Alles was mir ein Zeugniß deiner Liebe giebt, ist mir unendlich werth, auch sind es mir jetzt da du wieder gefaßt bist, deine traurigen Zettelchen. Möge ich dir künftig nur Freude bringen. Du hast mir goldne Sachen über mich selbst und über meine nächsten Verhältniße gesagt, ich horche ganz still auf das Lispeln meines Schutzgeistes, du wirst sehen es geht nun gut und ich sehe dich glücklich und fröhlich wieder.

Es freut mich daß du von Italien so viel liesest, du wirst mit den Gegenständen bekannter und wenn ich komme kann ich dir sie doch näher bringen. Die Zeichnungen die mein Begleiter gemacht hat sind soviel werth als ich für die Sicilianische Reise ausgegeben habe.

Grüße doch Knebeln und sag ihm daß ich hundertmal an ihn gedacht habe und dencke.

Gewiß fühl ich mich hier schon ganz anders, nur fürchte ich das nördliche Klima wird mir vor wie nach allen Lebensgenuß rauben. Wir wollen es abwarten.

Ein Maltheser der jetzt in Catania etablirt ist und sich wohl und fröhlich befindet, mußte aus Norden[217] wieder zurück ob er gleich gut angestellt war. Er versicherte mir er habe sieben Jahre in einer anhaltenden Kranckheit zugebracht, die in Sicilien gleich verschwunden sey. Von Neapel und seiner Gegend kann man nicht Guts genug, sagen. Das Wetter war den ganzen April hier regnicht und fühl, wider Gewohnheit.

Mit Göschen will ich mich schon betragen, ich kenne diese Art Menschen und muß nicht jeder sein Handwerck machen? Mich verlangt von der Ausgabe der vier ersten Theile zu hören.

Grüße die Freundinnen, sie sollen mir hold bleiben. Empfiel mich der Herzoginn. Möge ihr doch das Aachner Bad zum Besten dienen. Leider machen mir die Gesundheitsumstände unsrer Fürstlichen Personen und ihrer Descendenz keinen fröhlichen Rückblick.

Noch eins. Wenn du hörst der Herzog mache in meinen Departements Verändrungen pp; so laß dichs nicht irren, ich weiß davon und wünsche es. Ich habe an diese Epoche meines Lebens einen solchen Glauben daß ich überzeugt bin alles was darin geschieht muß zu meinem Frieden dienen es hat sich alles so schön gelegt und gegeben bisher, warum soll es nicht weiter werden.

Empfiel mich dem Andencken der Herzoginn und aller Freunde und Freundinnen. Wo ich hinkomme will man mich haben und behalten, möchte ich doch denen etwas werden, zu denen ich wiederzukehren bestimmt bin.

[218] Die Bekanntschaften die ich diese letzten Tage gemacht habe und noch mache nehmen mir alle Zeit weg. Es ist doch gut noch einige Menschen zu sehen und gut daß ich mich bisher aller enthalten habe.

Eine gute neue komische Oper von Cimarosa habe ich vorgestern gehört, und gestern hat mich der wahre Pulcinell (das heist der lebendige und originale) aufs beste unterhalten, ich habe zwey drey Stunden in einem fortgelacht. Lebe wohl behalte mir deine Liebe. In wenig Tagen verlaß ich dieses Paradies und schreibe dir gleich von Rom aus. Antworte mir nicht auf diesen Brief aber fahre fort mir zu schreiben, ich melde dir bald wohin du mir deine Worte schicken kannst. Sey Herders soviel als möglich ist. Sonderbar! Daß zwischen den besten und verständigsten Men schen eine Art von Flor und Hülle bleiben kann. Zwischen uns soll sie sich nie wieder stellen. Lebe tausendmal wohl.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D21-F