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An den Freundeskreis in Weimar

Rom d. 25. Jan. 87.

Nun wird es mir immer schwerer von meinem Aufenthalte in Rom Rechenschafft zu geben. Denn wie man die See immer tiefer findet ie weiter man hineingeht; so geht es auch mir in Betrachtung dieser Stadt.

Man kann das Gegenwärtige nicht ohne das Vergangne erkennen und die Vergleichung von beyden erfordert mehr Zeit und Ruhe.

Schon die Lage dieser Hauptstadt der Welt, führt uns auf ihre Erbauung zurück. Wir sehen bald, hier hat sich kein wanderndes, groses, wohlgeführtes Volck niedergelaßen und den Mittelpunckt eines Reichs weislich festgesetzt, hier hat kein mächtiger Fürst einen schicklichen Ort zum Wohnsitz einer neuen Colonie bestimmt. Nein Hirten und Gesindel haben sich hier zu erst eine Stäte bereitet, ein Paar rüstige Jünglinge haben auf dem Hügel den Grund zu Pallästen der Herrn der Welt gelegt, an dessen Fuß, sie die Willkühr des Ausrichters zwischen Morast und Schilf einst hinlegte. So sind die sieben Hügel Roms nicht Erhöhungen gegen das Land das hinter ihnen liegt, sie sind es gegen die Tiber und gegen das uralte Bette der Tiber, was Campus Martius ward; Erlaubt mir das Frühjahr weitere Exkursionen so will [146] ich die unglückliche Lage ausführlicher schildern. Schon jetzt nehm ich den herzlichsten Anteil an dem Jammergeschrey und den Schmerzen der Weiber von Alba, die ihre Stadt zerstören sehn und den schönen von einem klugen Anführer gewählten Platz verlaßen mußten um an den Nebeln der Tiber Theil zu nehmen, den elenden Hügel Coelius zu bewohnen und von da nach ihrem verlaßnen Paradiese zurückzusehn. Ich kenne noch wenig von der Gegend aber ich bin überzeugt kein Ort der Älteren Völcker lag so schlecht als Rom und da die Römer endlich alles verschlungen hatten, mußten sie wieder mit ihren Landhäusern hinaus und an die Plätze der zerstörten Städte rücken, um zu leben und des Lebens zu genießen.

Hundert Gedancken die sich hier zu drängen weis' ich zurück, denn ich könnte ihnen auf dem Papier weder Ausdehnung noch Vollständigkeit genug geben.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An den Freundeskreis in Weimar. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D38-0