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An Friedrich Heinrich Jacobi

Mit dem Postwagen erhältst du ein Packet das einen physicalischen Aufsatz enthält den ich während[99] der Belagerung ausgearbeitet habe. Es widersteht mir etwas aufzuschreiben von dem was ich sehe und höre, sonst hätte ich ein schönes Tagebuch führen können. Die Letzten Tage, der Capitulation, der Übergabe, des Auszugs der Franzosen gehören unter die interessantesten meines Lebens, ich wünsche dir einmal davon zu erzählen. Die Clubbisten waren in der Capitulation übergangen und man hatte keine Anstalten gemacht sie zu fangen auch kamen den ersten Tag des Auszugs viele durch; Rüffel der Gastwirth ritt neben Merlin, beyde in Husaren Uniform an der Spitze der Reuterey welche du Bayet ausführte. Am Chaussehauße schrie das Volck sein kreuzige, auch hätten sie ihn gewiß ohne die Contenance von du Bayet und Merlin und ohne die Gegenwart der preußischen Officire vom Pferde gerissen. Dafür paßten sie andern auf die nicht so gut eskortirt waren und fingen und beraubten und prügelten sie und führten sie nach Marienborn. Darunter denn Metternich und der Pfarrer vom heil. Creuz waren. Das geschah durch die emigrirten Maynzer die selbigen Tages nicht in die Stadt durften, schon am Abend aber schickte die Bürgerschafft eine Liste derer die sich vorbereiteten Morgens mit den Franzosen der zweyten Abtheilung auszuziehen und verlangte ihre Arrettirung. Das geschah auch durch ein Commando, sie wurden aus der Colonne herausgenommen ohne daß die Franzosen sich widersetzen. Das Volck fing an durch die Straßen [100] zu laufen und sich derer zu bemächtigen die noch zurück geblieben waren. Es ward geplündert und man legte sich auch darein und nahm diese auch noch in Empfang. Der Modus daß man die Sache gleichsam dem Zufall überließ und die Gefangennehmung von unten heraus bewirckte, deucht mich gut. Das Unheil das diese Menschen angestiftet haben ist groß. Daß sie nun von den Franzosen verlassen worden, ist recht der Welt Lauf und mag unruhigem Volck zur Lehre dienen. Hofmann ist durch und mehrere. Nun ist es so ziemlich ruhig nur daß immer Händel zwischen Preusen, Sachsen, Darmstädtern, auch mit den überbliebnen blessirten Franzosen sind. Eine ungeheure Bagage haben sie mit fortgenommen. Lebe wohl. Mehr kann ich nicht sagen. Ich halte die Feder kaum.

Maynz d. 27. Jul. 1793.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1793. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D4B-6